„Wir sind heute gekommen, weil wir an diesem Nachmittag wieder einmal vorgeführt bekommen, mit welchem kulturellen Reichtum die Vertriebenen aber auch diejenigen, die später zu uns in die Stadt gekommen sind, unsere Stadt bereichern.“ Mit diesen Worten begann Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, Schirmherr der am 3./4. Juni veranstalteten Nürnberger Aussiedlerkulturtage, sein Grußwort. Dieses Fest dokumentierte wieder Vitalität und Anziehungskraft der Aussiedlerkultur als Teil unseres städtischen Kulturlebens.
Im Haus der Heimat betonte Horst Göbbel in seiner Einführung in den „klassischen“ Teil die Bedeutung des inhaltlichen Rückblicks im Einstein- und Schillerjahr 2005. Dabei erinnerte er an Einsteins Worte „Was ein Mensch für seine Gemeinschaft wert ist, hängt in erster Linie davon ab, inwieweit sein Fühlen, Denken und Handeln auf die Förderung des Daseins anderer Menschen gerichtet ist“ und an Schillers Credo im Wilhelm Tell: „Das Alte stürzt, es ändert sich die Zeit, / Und neues Leben blüht aus den Ruinen“. In der Gedenkrede zum Kriegsende von Horst Köhler, des ersten Bundespräsidenten aus den Reihen der Vertriebenen, schwang neue Hoffnung und Zuversicht auf gelingende Integration von Millionen Menschen in unserem neuen Gemeinwesen Bundesrepublik Deutschland.“ Unser Land habe sich von seinem Inneren her verändert: „Wenn wir den Weg sehen, den wir seit 1945 zurückgelegt haben, dann erkennen wir auch die Kraft, die wir aufbringen können. Das macht uns Mut für die Zukunft.“ Und zu dieser Zukunft gehört auch das Fundament, auf dem wir, die Aussiedler, stehen: unser Glaube an die Kraft des Heimatgedankens, unsere Integrationswilligkeit und unsere vielfältig bewiesene Integrationsfähigkeit. Ingrid Hutter und Martin Freitag vertraten mit dem Duett Nr.2, opus 5 von Carl Jacobi, gespielt am Fagott, die Siebenbürger Sachsen. Nach dem Grußwort Gebhard Schönfelders, Vorsitzender der SPD-Fraktion im Nürnberger Stadtrat, informierte Anton Bosch, Vorsitzender des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland, umfassend über einen ungewöhnlichen Projekt-Partner des Hauses der Heimat, eine Gruppe aus Archangelsk und die Verbindung der russischen Metropole am Weißen Meer mit den Deutschen aus Russland. Die aktiven Gäste aus Russland, die Kulturgruppe vom Regionalen Russisch-Deutschen Haus Archangelsk (Ltg. Marina Efimova) präsentierte sich mit vier Bilder- Ausstellungen und einer zarten gesanglichen Einlage mit Gitarrenbegleitung. Von Seiten der Oberschlesier erfreuten die Brüder Alexander und Christopher Scholz (Klavier und Violine) das Publikum mit dem Violakonzert Es-Dur von Carl Friedrich Zelter und dem Liebeslied von Fritz Kreisler sowie Josef Groeger mit der Ausstellung „Blumen“.
Wie bisher begann der zweite Tag mit dem traditionellen Trachtenumzug mit der Siebenbürger Blaskapelle vom Haus der Heimat zur Kirche Heiligste Dreifaltigkeit, wo Diakon Bernhard Bäumler in seiner Ansprache den lobenswerten Beitrag der Aussiedler im Kulturleben im Stadtteil Langwasser herausstellte und der Chor der Sathmarer Schwaben aus München den Gottesdienst musikalisch überzeugend begleitete. Anschließend begrüßte Werner Henning, derzeitiger Vorsitzender des Aussiedlerbeirats, im Großen Saal des Gemeinschaftshauses Langwasser beim Bunten Nachmittag eine stattliche Anzahl von Ehrengästen – neben dem Oberbürgermeister Dr. Maly die Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl (CSU), aus dem Nürnberger Stadtrat Gabi Penzkofer –Röhrl (SPD),Helmine Buchsbaum (CSU), Jürgen Wolff vom Bündnis 90 /Die Grünen, den Aussiedlerbeauftragten der Stadt Nürnberg Wolfgang Lang, sowie mehrere Vorsitzende und Kulturreferenten der im Haus der Heimat aktiven Landsmannschaften und Kulturvereine. Werner Henning begann seine Ansprache mit einem Gedichtauszug seiner Mutter über die harte Zeit während der Deportation im fernen Uralgebiet und konzentrierte sich auf die beklemmende Rückschau zum Ende des Zweiten Weltkrieges, das Bundespräsident Theodor Heuß seinerzeit mit den Worten „Erlöst und vernichtet in einem“ charakterisierte. Werner Henning schloss mit einer Passage aus der Rede von Bundesinnenminister Otto Schily am 8. Mai im Berliner Dom: „Inzwischen wissen wir, dass wir nur dann, wenn wir den Mut zu einer klaren Sprache aufbringen und der Wahrheit ins Gesicht sehen, die Grundlage für ein gutes und friedliches Miteinander finden können.“ Oberbürgermeister Dr. Maly nahm den Gedanken auf und endete mit: „Deshalb bieten sich auch die Kulturtage als wichtige Gelegenheit dazu an, sich heute, wo noch Menschen aus dieser Zeit leben, damit zu befassen.“ Bundestagsabgeordnete Dagmar Wöhrl lobte die Integrationsanstrengungen der Stadt und die intensive Sprachförderung.
Der pure Kulturteil umfasste einen bunten Strauß an diversen musikalischen und tänzerischen Einlagen, bestritten von der Kinder- und Jugendtrachtengruppe (Ltg. Elke Anselm und Herta Funar) sowie der Erwachsenentanzgruppe (Ltg. und Akkordeon: Ewald Schuster) der LM der Banater Schwaben, von der LM der Dt. aus Russland Kinderchor (Ltg. Dorothea Walter) und Tanzgruppe (Ltg. Nadja Gubar) „Tintenklecks & Tausendfüßler“, Chor „Heimatklänge“ (Ltg.: Charlotte Kirchmeier) und Trachtentanzgruppe (Ltg. Eduard Fischer), von der LM der Siebenbürger Sachsen die Nürnberger Kindertanzgruppe (Ltg. Annette Folkendt) und Erwachsenen-Tanzgruppe (Ltg. Hilde Zeck-Papp und Roswitha Bartel) sowie den Fürther Chor (Ltg. Reinhold Schneider), dem Oberschlesischen Singkreis der Frauengruppe Nürnberg (Ltg. Ursula Matuszewski), dem Chor der Sathmarer Schwaben aus München (Ltg. Otto Jussel), der Kulturgruppe vom Regionalen Russisch-Deutschen Haus Archangelsk (Ltg. Marina Efimova), der Siebenbürger Blaskapelle (Dirig. Hans Welther) sowie den Gruppen des Hauses der Heimat „Musikspatzen“, Kinderchor, „Volksquelle“ und „remix“ (Ltg. Olga Philipp). Im Foyer konnte man die Ausstellung „Deutsche Jugend aus Russland malt im Haus der Heimat“(Kursleiter: Irina Trautwein, Wladimir Egorow und Jana Shainidi) bewundern.
Zum Abschluss gab es erst den gemeinsamen Tanz „Sternpolka“, wobei auch Ehrengäste schwungvoll mitmachten, und nachher Tanz für die Gäste mit der Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e.V. Mit seinem breiten Angebot an Musik und Tanz, Vortrag und Ausstellung bot auch dieses große Fest der Aussiedler ein gelungenes Beispiel gelebten Gemeinsinns.
Horst Göbbel