Inforeihe im Haus der Heimat (Beginn Okt. 2002)
„1959. Erste Schritte in Deutschland“
„Aus der Heimat mussten ziehen
die Verjagten, arm und reich
fort, wo keine Rosen blühen,
Alle waren sie nun gleich.
Ach wie traurig, ach wie elend
schritt der letzte Tag einher;
von der Heimat Abschied nehmen-
ach, wie war es uns so schwer!“
Mit diesem Lied, gesungen von Frau Olga Philipp, begann am 30.10.2003 im Haus der Heimat Nürnberg die vierte Folge organisiert und moderiert von Olga Vetter und Lydia Pastarnak. Das Thema wurde der Aufnahmestelle Friedland gewidmet. Vertreter aus mehreren Landsmannschaften, die im Haus der Heimat ihren Treffpunkt haben, kamen zahlreich zusammen. Die Referentin der Veranstaltung war die Zeitzeugin Adelheid Zogel, die mehrere Jahre als Caritas- Schwester in Friedland arbeitete. Friedland- heiliger Ort für jeden, der durch diese Aufnahmestelle nach Deutschland eingereist ist. Frau Zogel erzählte die Geschichte der Entstehung der Barakensiedlung im Dreilandeck und ihre Entwicklung zu der größten Flüchtlingsaufnahmestelle Deutschlands. Tausende von Flüchtlingen aus allen Ecken Europas sind jeden Tag in Friedland angekommen und aufgenommen worden. Ein Transport nach dem anderen… Ältere Menschen, Kranke, verwaiste Kinder… Und jeder musste untergebracht werden. In den Ställen ohne Fußböden, praktisch auf kahler Erde oder auf dem Gras, mussten die Menschen schlafen. Aber jeder Flüchtling bekam sein Plätzchen, seine warme Decke, sein warmes Essen. Die englischen Militärbehörden der Besatzungszone sorgten mit dafür. Später, als die ersten Heimkehrer aus der Gefangenschaft zurückkehrten, wurden die ersten Holzbaracken gebaut. Danach folgten die erste Kirche, die erste Glocke! Bei der Einweihung der Kirche nahm Kanzler Konrad Adenauer teil. Wie viele Helfer Friedland am Ende des Krieges brauchte! Wie viel Zuneigung und Herzenswärme hatten die Flüchtlinge und Heimkehrer bitter nötig! Ein Pfarrer aus der Kirche in Friedland reiste durch ganz Deutschland und bat um jede erdenkliche Hilfe für die armen Menschen im Lager. Die Hilfsbereitschaft im Land war sehr hoch. Auch Leute, die selber in dem zerbombten, zerstörten Deutschland kaum etwas hatten, spendeten. Große Hilfe kam ebenso aus dem Ausland, u. a. Belgien und Holland. Die junge Adelheid Zogel war samt ihrer Familie aus Oberschlesien nach München geflüchtet. Dort studierte Sie Sozialpädagogik. Als Diplomarbeit wählte Sie das Thema ,,Flucht und Vertreibung“. Nicht nur Beruf, sondern Ihre Berufung wurde es, den heimatlosen Menschen zu helfen. Ihr ganzes Leben ist Frau Zogel der karitativen Arbeit treu geblieben, aber der Anfang war in Friedland. Nach den Abkommen 1958 und 1959, als die ersten Aussiedler aus Russland ausreisen durften, hatte sich Frau Zogel mit voller Kraft für diese Menschen eingesetzt. Sie gab ihnen Mut und Hoffnung. Sie half ihnen, eine neue innere Heimat in Deutschland zu finden. Ihr Lieblingsspruch lautet: „Verstehen kann man das Leben nur rückwärts, aber leben muss man es vorwärts.“ Im Rückblick auf ihr Leben kann Frau Zogel stolz sein. In den seither vergangenen Jahren ist es ihr mit viel persönlichem Einsatz gelungen, Hunderten von Menschen zu helfen, sich richtig heimisch in Deutschland zu fühlen. Mit großem Interesse verfolgten die Zuschauer ihre Ausführungen. Tiefe Erinnerungen kamen hoch, bei manchen flossen Tränen. Die Fotoausstellung, sorgfältig von Olga Vetter vorbereitet, führte unsere Deutschen aus Russland zurück in die grausame Zeit des Stalinistischen Terrors und in die glückliche Zeit der ersten Schritte in Friedland. Die Gäste erzählten ihre eigene Lebensgeschichte und ihre Erinnerungen. Die Oberschlesierin Christine Wyschkon sprach von ihren Ängsten und dem tiefen Leid damals 1945 in Friedland, als sie mit zwei kleinen Kindern ankam, und sagte: „Ich bin glücklich, hier zu sein!“ Artur Schächterle, ehemaliger Vorsitzender unserer Ortsgruppe berichtete von dem langen Weg aus Sibirien nach Deutschland, vom Recht auf Heimat, dass jeder haben sollte. Von ihrem schweren Weg nach Deutschland damals und von der Hilfe, die Sie heute selbst als Beraterin den neu eingereisten Spätaussiedlern anbietet, erzählte Irma Moser. Sie lobte die Hilfsbereitschaft der Friedland-Verwaltung. Helene Müller hatte in den ersten Tagen nach der Einreise ihre jüngste Tochter bekommen. Völlig fremd im Land wussten die Eltern keinen Ausweg. Bei der Lösung dieser Probleme stand Ihnen Adelheid Zogel helfend zur Seite. Die damals geborene heute 24-jährige Katharina Müller bedankte sich nach dem Vortrag ganz herzlich bei Frau Zogel und schenkte ihr einen Blumenstrauß. Zum Schluss sangen alle, geführt von den „Musikspatzen“ und der „Volksquelle“ unter der Leitung von Olga Philipp, das Lied „Alle Farben dieser Erde“. Tief beeindruckt von der Präsentation dieser bewegenden Erinnerungen umrahmt von Gedichten und Liedern, dankten einige Teilnehmer den Organisatoren mit Tränen in den Augen.
Lydia Pastarnak