06.07.2002:

Theater: „Mensch, Kathi schau nach vorn!“

„Mensch, Kathi schau nach vorn!“

Text und Regie: Doris Hutter

in der Großen Meistersingerhalle am 6. Juli 2002

„Wenn junge Menschen eine Basis haben, dann gehört ihnen die Zukunft“. Mit diesem prägnanten Satz brachte die Staatsministerin für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen Christa Stewens das Geschehen auf den Punkt. Als prominentester Gast unter mehr als 1200 Teilnehmern bei der einmalig beeindruckenden Aufführung von Doris Hutters „Mensch, Kathi, schau nach vorn!“ in der Nürnberger Meistersingerhalle, am 6. Juli konnte die erfahrene CSU-Politikerin, Mutter von vier Kindern und Oma von sieben Enkelkindern, sich sozusagen vor Ort überzeugen, dass Integration von Aussiedlern kein Lippenbekenntnis ist. Integration – keineswegs verstanden als Verschmelzung oder Assimilierung sondern als Bewahrung der eigenen Identität und Sich- Einbringen in unser bundesdeutsches Gemeinwesen – Integration ist gelebte Wirklichkeit und konnte exemplarisch auf der Bühne bestaunt werden. Integration dieser Art ist zugleich eminente Jugendarbeit mit sinnvollem kulturellem Hintergrund. Das war auch der Tenor der unmittelbar vor der Aufführung mit der Staatsministerin Stewens geführten Gespräche mit dem Vorstand des Hauses der Heimat bei ihrem ersten Besuch in diesem aus dem Großraum Nürnberg nicht mehr wegzudenkenden Integrations- und Begegnungszentrum.
Das Zusammenspiel von rund 150 Mitwirkenden, davon 25 Kinder und Jugendliche sowie Vertreter der mittleren und älteren Generation, der geschickt eingefädelte gemeinsame Auftritt von Banater Schwaben, Egerländer Gmoi und echten Franken mit den Siebenbürger Sachsen war ein weiterer Mosaikstein gelungener Integration von Aussiedlern auch im Nürnberger Raum. Die farbenprächtigen Trachten, die vielseitige Musik, die unterschiedlichen Tänze sowie die geschickt aufbereitete Liebesbeziehung zwischen Hans und Kathi bot vor dem Hintergrund einer imposanten Kulisse ein überzeugendes Beispiel für das gelebte Credo der Autorin. Doris Hutter glaubt nämlich fest an die Kraft der positiven kulturellen Tradition und deren Weiterführung auch in unserer immer weniger konsensfähigen Gesellschaft. Weil es im Stück selber an zentraler Stelle auch um die siebenbürgisch-sächsische Tracht und dem Bekenntnis dazu – speziell durch die Jugend – auch hier in der hoch technisierten, von PC und Internet, von maßlosem Konsum und schier grenzenloser Selbstentblößung, von zahlreichen zentrifugalen Kräften und pluralistischen Erscheinungen geprägten bundesrepublikanischen Spaßgesellschaft ging, wurde zu den herrlichen Trachten auf der Bühne auch eine besonders gediegene Ausstellung mit 56 Trachtenpuppen von Diplom-Physikerin und Mathematiklehrerin Ditha Rothbächer, eine Siebenbürgerin, die in Waldkraiburg wohnt, aufzubauen. Die prächtigen Puppen kamen bei den vielen Menschen bestens an. Die Regisseurin des Mundarttheaters in Herzogenaurach, Agnes Reitz etwa äußerte: „Das Stück war große Klasse! Alles war großartig. Und der Inhalt hat uns sehr zu denken gegeben. Wir haben lange darüber gesprochen!“

Die rund 150 Darsteller gehörten zu folgenden Gruppen: Siebenbürgisch- Sächsische Theatergruppe Herzogenaurach, Sächsischer Singkreis sowie junge Bläser und das Instrumentalquintett der Theatergruppe, Nadescher Trachtentanzgruppe e.V., die Siebenbürgisch-Sächsische Volkstanzgruppe und Kindertanzgruppe Herzogenaurach, Fränkische Volkstanzgruppe Welkenbach im Gebirgsverein „Loisachthaler“, Banater Trachtengruppe Nürnberg, Volkstanzgruppe der Egerländer Gmoi Nürnberg, Siebenbürgische Tanzgruppe Nürnberg, Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e.V. und The Alleviators aus Herzogenaurach.
Der 1. Akt spielt in Siebenbürgen und behandelt die Frage „Bleiben oder gehen?“, im 2. Akt hier in Deutschland die Vielschichtigkeit, die Brüche, die sich scheinbar ausschließenden Pole der hiesigen modernen, zukunftsträchtigen und der dortigen, scheinbar längst verlorenen von jahrhundertealten Bräuchen und Sitten zusammengehaltenen Welt. Es entstand eine Symbiose von Jeans und Tracht, von Popmusik und Volkslied, von heißen Rhythmen und melodiösen Volkstanzeinlagen, von abgewandten, an heimatlicher Tradition scheinbar geläuterten Menschen und dem wieder Erkennen prägender tradierter Werte: eine Interpretation lebendiger Aussiedlerintegration in Deutschland.

„Wenn junge Menschen eine Basis haben, dann gehört ihnen die Zukunft“, sagte die begeisterte Ministerin.

Horst Göbbel