05.06.2010 und 06.06.2010:

„Kunstbrücke Makejewka-Nürnberg“

Bildende Künstler aus Nürnberg/Fürth und der Ukraine stellten im Haus der Heimat aus

Ebenso wie Musik kennt auch die Kunst keine Grenzen – eine Erfahrung, die sich seit Jahrhunderten bewahrheitet hat. Diese Erfahrung machten auch die Teilnehmer der gemeinsamen Initiative unter dem Motto „Kulturbrücke Makejewka-Nürnberg“, die mit einer zweitägigen Präsentationsveranstaltung und grenzübergreifenden Kunstausstellung am 5.-6. Juni im Nürnberger Haus der Heimat ihren krönenden Abschluss fand. Die Veranstalter des Kulturforums waren neben dem Haus der Heimat Nürnberg e.V. und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Ortsgruppe Nürnberg) außerdem der Verein für Deutsche Kulturbeziehungen im Ausland e.V. (VDA) und der Verband der Deutschen Kultur e.V. Makejewka/Ukraine. Die Initiative wurde vom Bayerischen Sozialministerium für Arbeit und Sozialordnung, Familie und Frauen über das Haus des Deutschen Ostens München, der Stadt Nürnberg und dem Bezirk Mittelfranken unterstützt. Zur Eröffnung der Ausstellungen am 5. Juni luden die Veranstalter Gäste aus der Politik und organisierenden Vereinen, Kunstschaffende, Kunstliebhaber und Kunstverwerter ein. Für die musikalische Umrahmung am Klavier mit Musikstücken von Frederic Chopin sorgte die Musikerin Maria Lisitskaya.

Der Kontakt zur bisher völlig unbekannten Stadt Makejewka in der Ukraine, der zur grenzübergreifenden „Kunstbrücke“ führte, war eher spontan entstanden. Kirchliche und menschliche Kontakte zwischen Nürnberg bzw. Bayern und der ukrainischen Makejewka im Gebiet Donezk hatte es schon länger gegeben. Evangelische Priester aus Bayern haben bereits in den 80er Jahren den Menschen dort geholfen, eine evangelische Gemeinde aufzubauen.
So ist der Kontakt zur Familie Nikolai Schischkin, der russlanddeutsche Wurzeln hat und seit 20 Jahren den Verband der Deutschen Kultur e.V. in Makejewka leitet, zustande gekommen. Seit Jahren arbeitet der Verein eng mit ukrainischen und russlanddeutschen Künstlern zusammen. Mit Unterstützung der Deutschen Botschaft in der Ukraine war es dem Verband gelungen, im Donezker Gebietslandeskundemuseum 1998 eine Kunstausstellung unter dem Motto „Die Scherben der Erinnerung“ und 2003 unter dem Motto „Das unterbrochene Lied“ zu veranstalten. Namhafte Maler der Ukraine griffen die Kultur und Lebensweise der deutschen Siedler als Thema ihrer Werke auf. Aus den historischen Forschungen und Forschungsexpeditionen in die ehemaligen deutschen Dörfer des Gebiets Donezk und dem künstlerischen Gestalten entstand das Buch „Deutsche Siedlungen im Südosten der Ukraine. Geschichte, Kultur, Schicksale. 1823-1941“, das Nikolai Schischkin 2009 mit Unterstützung des VDA und des Goethe-Instituts in der Ukraine herausgeben konnte.
So lag dann auch der Gedanke nahe, dieses Buch und die Kunst der hiesigen Künstler auch in Deutschland zu präsentieren, wo unter anderem viele Deutsche aus der ehemaligen Sowjetunion leben, die ihre Wurzeln im Südosten der Ukraine haben oder die Nachkommen der früheren deutschen Siedler. Da schon länger gute Kontakte zu Nürnberg und Bayern bestanden, war das Haus der Heimat in Nürnberg eine dankbare Adresse.
In seiner mehr als 10-jährigen Geschichte war das Nürnberger Haus der Heimat mehrmals Standort von grenzübergreifenden Projekten. Es gehört hier zur Tradition, Begegnungen zwischen Einheimischen, Aussiedlern, Vertriebenen sowie Menschen aus deren Herkunftsländern zu fördern. So wurde auch auf das Angebot von Nikolai Schischkin, das Buch zu präsentieren und eine grenzübergreifende Kunstausstellung durchzuführen, gern eingegangen. Zumal auch im Großraum Nürnberg und Fürth zahlreiche Künstler aus den Nachfolgestaaten der Sowjetunion leben und wirken. Viele haben sich hier wiedergefunden – als freischaffende Künstler, Gründer von Kunstschulen und Kunstwerkstätten, aber auch als Kunstlehrer – sie sorgen für den Nachwuchs im künstlerischen und kreativen Bereich, so wie beispielsweise Irina Trautwein und Wladimir Egorow, die im Haus der Heimat Malkurse für Kinder, Jugendliche und Erwachsene leiten.
So ist dann auch die „Kunstbrücke“-Ausstellung von Künstlern aus der Makejewka/Ukraine und Nürnberg/Fürth entstanden, die mehreren Künstlern aus beiden Ländern eine Gelegenheit bot, sich vorzustellen, einander kennen zu lernen und sich mit der Kunst auseinanderzusetzen. Insgesamt beteiligten sich an der Ausstellung, die eine breite thematische und künstlerische Palette bot, 14 Künstler, darunter aus der Ukraine Gennadij Shukow, Wladimir Telitschko, Walentina Telitschko und Wassilij Telitschko-Ewert und aus Nürnberg Fürth Wladimir Egorow, Gennadi Horn, Thomas Egerer, Ekaterina Panchulova, Irina Trautwein, Pavel Stepanov, Kristina Solop, Carolina Jarcutchi, Marta Fayngoldt, Anna Vilkova, Tatiana Steiger und Irina Kotliar.
„Diese Ausstellung ist eine Begegnung mit meiner Heimat… Wir Künstler, die in einer Diktatur gelebt haben, können in der Demokratie die Freiheit genießen. Wir können die Augen schließen und vergessen, aber ohne Bewältigung der Vergangenheit können wir nicht weiter kommen“, sprach der Künstler Gennadi Horn (Fürth) vielen Landsleuten aus der Seele.
Die Brückenbauerfunktion des Hauses der Heimat unterstrich auch sein Vorsitzender Horst Göbbel in der Begrüßungsrede bei der Eröffnungsfeier am 5. Juni. „Brückenbauer zwischen Menschen und Regionen, zwischen Ost und West. Für eine Kunstbrücke wie diese sind die 2.300 km zwischen Nürnberg und Makejewka keine Entfernung“, so Göbbel.
Dr. Wolfgang Betz, stellv. Bundesvorsitzender des VDA, stellte den Verein vor, der sich seit fast 130 Jahren als kulturelle Brücke zu den in aller Welt lebenden Deutschen und ihren Heimatländern versteht. Er unterstützt deutschsprachige Medien und Einrichtungen im Ausland und führt Jugendaustauschprogramme mit Partnerorganisationen in aller Welt durch.
Von menschlichen Brücken sprach Klaus Walz, der im Auftrag der der ev.-lutherischen Kirche Bayerns seit 1983 in Charkow und anderen Orten „Glaubensbrücken baute“.
Dorothea Walter, Öffentlichkeitsreferentin der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, hob die Bedeutung der zugewanderten Künstler hervor, die ihr Können an den Nachwuchs weitergeben: „So entstehen Brücken zwischen den Generationen“. Das bestätigte auch der anschließende Rundgang in drei Räumen durch die Ausstellungen der Künstler aus der Ukraine, aus Nürnberg/Fürth und der Schüler von Irina Trautwein, die an ihren Kursen im Haus der Heimat teilnehmen. „Junge Künstler brauchen die Unterstützung von fördernden Institutionen wie das Haus der Heimat oder die Landsmannschaft der Deutschen aus Russland, um nicht nur Spaß, ein Hobby oder Freizeitaktivitäten zu haben, sondern um ihre Ideen und Kreativität auf einen hohen Stand zu bringen und durch die qualifizierte Leitung eine Vorbereitung für den Beruf (z.B. Kunstlehrer, Kunsterziehung, Designer usw.) zu bekommen. Gemeinsame Projekte und Vernissagen sind besonders wichtig, da die jungen Künstler die Möglichkeit haben, auch als Zuschauer ihre und die Kunstwerke der Anderen zu analysieren und zu vergleichen“, beschreibt Irina Trautwein.
Nikolai Schischkin stellte sein Buch „Deutsche Siedlungen im Südosten der Ukraine. Geschichte, Kultur, Schicksale. 1823-1941“ vor. Reich bebildert, dokumentiert es das Lebens und die Schicksale der Deutschen in den Mariupoler Kolonien.
Das Buch „Deutsche Siedlungen im Südosten der Ukraine. Geschichte, Kultur, Schicksale. 1823-1941“ (zweisprachig) dokumentiert in zahlreichen Fotos, Dokumenten, Karten, Einwohnerlisten, Bildern von Künstlern und Texten das Leben der Deutschen im Südosten der Ukraine seit der Entstehung der Mariupoler Kolonien 1823. Bis zum II. Weltkrieg spielten die deutschen Siedlungskolonien im heutigen Gebiet Donezk eine bedeutende Rolle. Anfang des 20. Jahrhunderts gab es hier mehr als 150 deutsche Kolonien mit einer Bevölkerung von ca. 50.000 Personen.

Vor zwei Jahrzehnten begannen die Mitglieder des Verbandes der Deutschen Kultur in Makejewka mit der Spurensuche, forschten in Archiven, besuchten Dörfer, zeichneten Schicksale und Erinnerungen auf. Die Forschungsgruppe des Verbandes organisierte einige Forschungsexpeditionen, wobei eine große methodische und praktische Hilfe der bekannte russlanddeutsche Historiker Dr. Alfred Eisfeld aus Göttingen leistete. Das alles hat schließlich geholfen, einen Einblick in die folgenschweren Prozesse des Untergangs des Deutschtums im Südosten der Ukraine zu verschaffen.
1998 konnten der Verband die erste Ausstellung unter dem Motto „Scherben der Erinnerung“ im Landeskundemuseum Donezk vorstellen. Die Begegnung mit der deutschen Geschichte in der Ostukraine erregte Aufsehen, weitere Ausstellungen folgten. Deren Erfolg ist nicht zuletzt der Zusammenarbeit mit dem Donezker Künstlerverband zu verdanken. Namhafte Maler der Ukraine griffen die Kultur und Lebensweise der deutschen Siedler als Thema ihrer Werke auf. Aus den historischen Forschungen und dem künstlerischen Gestalten entstand ein Buch, das 2009 mit Unterstützung des VDA und des Goethe-Instituts in der Ukraine erschienen ist.
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Nina Paulsen