18.06.2010:

Aussiedlerkulturtage der Stadt Nürnberg, Freitag

Gediegen, bunt, aufschlussreich
Nürnberger Aussiedlerkulturtage 2010

„Der mitgebrachte Kulturschatz der zugewanderten Deutschen ist und bleibt ein wertvoller Bestandteil der gesamtdeutschen Kultur, der gepflegt und erhalten werden soll.“ So lautete das zentrale Credo von Nina Paulsen vom Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland in ihrer Begrüßungsansprache bei den heurigen Nürnberger Aussiedlerkulturtagen.
Die Eröffnung der Aussiedlerkulturtage am Freitag, 18. Juni im Haus der Heimat Nürnberg begann mit der Titelmelodie zur TV-Serie „Mission Impossible“, ein moderner Klassiker eines der meistzitierten Musikers der letzten Jahrzehnte: Lalo Schifrin. Die Interpreten waren Alexandra Kutsche (25) und Marcus Hullin (26) an der Violine, Kerstin Neumann (20) an der Viola und Tobias Hullin (19) am Violoncello. Die beiden jungen Männer sind die Kinder eines oberschlesischen Vaters und einer Mutter, die aus Pommern stammt. Es folgten Bearbeitungen berühmt gewordener Lieder wie z. B. die Ballade „From a Distance“, die 1991 den Grammy für das Lied des Jahres erhielt oder „My heart will go on“ aus dem Film „Titanic“.
Horst Göbbel, der Vorsitzende des Vereins Haus der Heimat, verglich in seiner Begrüßung die bundesdeutsche Gesellschaft mit der deutschen Fußball-Nationalmannschaft, als er feststellte: „Neben alten Leistungsträgern wie den Aussiedlern Klose oder Podolski spielen heuer auch neue erstklassige Spieler mit Migrationsgeschichte wie Aogo, Boateng, Cacau, Gomez, Khedira, Marin, Özil, Tasci, Trochowski für Deutschland. Es begreifen mehr und mehr Menschen in Deutschland, dass Menschen mit Migrationserfahrung ein belebendes Element unserer Gesellschaft sind.“ Am Schluss betonte er: „Wir Aussiedler feiern seit 1986 ununterbrochen jährlich Aussiedlerkulturtage. Einige wissen es, und geben uns die Ehre – z.B. der erste Bürger unserer Stadt, Herr Oberbürgermeister Dr. Maly, der – wie seine Vorgänger – die Schirmherrschaft der Kulturtage übernommen hat, was uns sehr freut. Ebenso freut uns der positive Start des neuen Integrationsrates und des Nürnberger Kulturbeirates zugewanderter Deutscher.“
In Vertretung des Schirmherrn, Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly, lobte Stadträtin Gabriela Heinrich (SPD) den Einsatz des Hauses der Heimat im Initiativkreis Interkultureller Garten Langwasser: „Wer sich dafür einsetzt, zeigt, dass er schon weit auf dem Weg der Integration gegangen ist. Denn einen interkulturellen Garten aufzubauen, heißt, dass Menschen aus verschiedenen Nationen bereit sind, zusammen zu arbeiten und sich einzusetzen, gemeinsam etwas zu schaffen, und offen sind für andere Kulturen.“
Stadtrat Max Höffkes (CSU) freute sich über den von Horst Göbbel in der Begrüßung verwendeten Begriff „Mitbürger mit Migrationserfahrung“, der den Begriff „Migranten“ ersetzen soll: „Ich verspreche Ihnen, ich werde diesen Begriff weiter tragen, weil es die richtige Bezeichnung ist!“ Zum Schluss nannte er die Aussiedler einen „sehr vitalen Bestandteil der Stadt Nürnberg“ und betonte: „Das Haus der Heimat hat integriert und integriert weiter, ohne zu assimilieren.“ Unter den Gästen befanden sich wieder Vertreter von kommunalen Institutionen, Wohlfahrtsverbänden und Vereinen.

Das Thema des anschließenden Vortrags „Der Glaube als Anker in der Not“ führte anhand der Begräbnistradition der katholischen Russlanddeutschen von der Geschichte der Russlanddeutschen über Einzelschicksale zu der heutigen Praxis in Deutschland, wo sich viele Menschen aus den Nachfolgestaaten der UdSSR wünschen, nach den Riten in der alten Heimat beerdigt zu werden. Die Referentin Nina Paulsen, Mitglied des Historischen Forschungsvereins der Deutschen aus Russland, stellte ihr Buch „Wo unsere Toten ruhen, liegt unsere Heimat“ vor, das im Rahmen eines Projektes im Haus der Heimat entstand und mit einer CD versehen ist, auf der Beerdigungsgesänge originaltreu aufgenommen worden sind. Die dafür zeichnende Singgruppe aus dem Raum Nürnberg war zugegen. Umrahmt wurde der mit Bildern untermalte Vortrag von Walter Schatschneider, einem russlanddeutschen Trompeter, der einfühlsam u. a. Stücke von Dmitrij Bortnjanskij, Peter Tschajkowskij und das „Ave Maria“ von Franz Peter Schubert vortrug. Durch das Programm führte charmant Nicole Vetter. Der Abend wurde mit einer Bilderausstellung der Siebenbürger Sächsin Dietlinde Eichner aus Nürnberg, die im Alter von 40 Jahren die Malerei neu entdeckt und einen Studiengang „Bildende Kunst“ an der Akademie Faber-Castell absolviert hat, unter dem Titel „Lebensformen“ abgerundet.

Doris Hutter / Horst Göbbel