15.03.2007:

Fortbildungstagung im HdH

Das Beispiel Werner Bergengruen–
Fortbildungstagung im Haus der Heimat am 15. 03.07

„Wir sind überflüssig, aber nicht zu ersetzen …“

„Wir sind überflüssig, aber nicht zu ersetzen …“ So äußerte sich Werner Bergengruen (1892-1964) zur Rolle der Deutschen in der Kultur der baltischen Länder Estland, Lettland, Litauen. Er wusste sehr genau, was die Deutschbalten in diesem europäischen Kulturraum im Lauf der Jahrhunderte seit der deutschen Ostsiedlung geleistet haben. Er wusste auch um die völker- und menschenverbindende Rolle von Kultur. Als aufrechter Mensch seiner Zeit, wusste er auch, wo das Übel sitzt und wie man ihm begegnen kann, ohne sich zu verbiegen.

Der Dichter Werner Bergengruen ist aus dem Bewusstsein der literarischen Öffentlichkeit in Deutschland fast völlig verschwunden. Dabei war er bis in die späten 1960er Jahre einer der repräsentativsten und viel gelesenen deutschen Autoren des 20. Jahrhunderts.

Werner Bergengruen wurde 1892 als Sohn eines Arztes in Riga geboren und starb 1964 in Baden-Baden. 1936 konvertierte er mit seiner Familie zum Katholizismus. Im „Tausendjährigen Reich“ gehörte er zur heute oft unverstandenen „Inneren Emigration“. Bergengruen arbeitete als Journalist und übersetzte russische Klassiker wie Tolstoi, Turgenjew oder Dostojewski ins Deutsche. Er ist vor allem durch seine historischen Romane berühmt geworden. 1935 erschien „Der Großtyrann und das Gericht“, eine Parabel über den Missbrauch der Macht in der Diktatur und das wohl eindrucksvollste Werk der „Inneren Emigration“. In einem Gutachten des „Gaupersonalamtes München/Hauptstelle für politische Beurteilungen“ hieß es: „Weder er noch seine Kinder sind Mitglied einer Parteigliederung. Der deutsche Gruß ‚Heil Hitler’ wird weder von ihm noch von seiner Familie angewendet. Eine NS-Presse bezieht er soweit bekannt ebenfalls nicht. Bemerkt sei noch, dass B. konfessionell stark gebunden ist.“
Bergengruen war ein Parteigänger der Freiheit und wahrer Nonkonformist. Als humaner Schriftsteller und klarer politischer Kopf hat er Erhellendes über das Leben in der Diktatur, den Gegensatz von äußerer und innerer Emigration verfasst. Er setzte der „nationalsozialistischen Ideologie ein von christlich-humanistischen und gesamteuropäischen Traditionen gespeistes Welt- und Menschenbild entgegen.“ (Frank-Lothar Kroll)

Der Leistungskurs Sozialkunde/Geschichte 12 und das Studienseminar 2007-2009 am Hans-Sachs-Gymnasium Nürnberg hatten die ungewöhnliche Gelegenheit, am 15. März 2007 an einer Veranstaltung der Regionalen Lehrerfortbildung im Haus der Heimat Nürnberg vom wohl besten Kenner Werner Bergengruens und dessen Werk – Prof. Dr. Frank-Lothar Kroll von der Technischen Universität Chemnitz (Forschungsschwerpunkte Europäische Geschichte bzw. Ideen- und Kulturgeschichte des 19. und 20. Jh., Deutsche und ostmitteleuropäische Geschichte, Geschichte Preußens und des Dritten Reichs), zugleich Präsident der Werner Bergengruen Gesellschaft – und von einer Tochter Bergengruens, Maria Schütz, über die totalitäre Erfahrung, über das Lebenswerk, über seine zeitbezogene Aktualität und über das familiäre Umfeld Bergengruens auf besondere Art informiert zu werden. Der Titel der Veranstaltung lautete: „Literarischer Widerstand im totalitären System. Das Beispiel Werner Bergengruen“, die Organisation und Leitung oblag dem Leiter des Sk/G-Leistungskurses Horst Göbbel, zugleich Vorsitzender des Vereins Haus der Heimat.

Kompetent, anspruchsvoll und schwungvoll hat Prof. Kroll einen Menschen und seine Zeit, seinen warmherzigen, manchmal skurrilen, bizarren Humor, das Spannungsfeld zwischen Freiheit und Notwendigkeit sichtbar gemacht. Maria Schütze, die Tochter eines Mannes klarer Prinzipien, ein unbescholtener, unkorrumpierter Autor in der Diktatur, ein Mensch, dem Kulturvermittlung und Völkerverständigung am Herzen lag, hat bestimmt in der Sache und feinfühlig im Detail in eine besondere, längst nicht mehr existierende Welt eintauchen lassen.

Der Erkenntnisgewinn an diesem Tag, zustande gekommen auch im Diskussionsteil im gastfreundlichen und jungen Menschen in besonderem Maße aufgeschlossenen Haus der Heimat, ein Haus der Begegnung und Kultur, äußert sich in Aussagen wie: Die Veranstaltung sei auch durch den unterschiedlichen Zugang (Wissenschaftler und Familienangehörige) auf „hohem wissenschaftlichem Niveau“, „historisch fundiert“, „informativ und abwechslungsreich“, „interessant und facettenreich“, „bereichernd“, „inspirierend“, „spannend, lebendig“, „sogar amüsant“, gewesen. Geäußert wurde auch: „Für mich als Naturwissenschaftler eine vortreffliche Gelegenheit, mich mit einem sonst etwas vernachlässigten Thema zu beschäftigen“, „…hat uns Naturwissenschaftlern den Inhalt anderer Unterrichtsfächer auf einem etwas höheren Niveau nähergebracht“, „Dozent und Zeitzeugin boten eine gute Mischung aus Sachkenntnis und persönlichem Erleben“, schließlich: „Die Atmosphäre im Hause war sehr angenehm.“

Horst Göbbel