Aussiedler feiern „Europa – unsere Heimat“
Aussiedlerkulturtage der Stadt Nürnberg in und mit der Kirche St. Leonhard
Der erste Tag der Aussiedlerkulturtage, Freitag, 17. Mai, begann mit dem Herrichten der Räume im Haus der Heimat (HdH) Nürnberg, ganz besonders mit dem Errichten eines kulinarisch köstlichen Buffets durch Lilit Grigorean mit ihrem Team, das auch für das Auge Leckerbissen bereithielt: Die Dekoration des Buffets bestand aus Gemüse-Blumensträußen, kunstvoll hergerichtet. Getreu dem Motto „Europa“ hatte der Organisationsausschuss im Vorfeld beschlossen, dass alle beteiligten Landsmannschaften kulinarische Spezialitäten aus dem Herkunftsland bringen mögen. Als die ersten Gäste eintrudelten, duftete es schon vielfältig verheißungsvoll.
Aufgeregt warteten die HdH-Gesangsgruppen „Lustige Noten“ und „Remix“ unter der Leitung von Olga Philipp auf ihre Auftritte, die diesmal in mehreren Sprachen dargebracht wurden: in Spanisch, Englisch und Deutsch. Olga Philipps Frauengesangsgruppe sang später auch ein russisches Lied. Horst Göbbel, der Vorstandsvorsitzende des HdH erwähnte das heuer 70 Jahre alt gewordene Grundgesetz auch im Gegensatz zur Weimarer Verfassung, die vor 100 Jahren, 1919 angenommen wurde, und zitierte daraus, was sich die junge Bundesrepublik in ihr Grundgesetz als wesentliche Verpflichtung eingetragen hatte: Art. 116: „(1) Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderweitiger gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiete des Deutschen Reiches nach dem Stande vom 31. Dezember 1937 Aufnahme gefunden hat.“ und schlussfolgerte: „Damit hatten wir vom Tage unseres Hierseins Gleichberechtigung mit allen Deutschen, die hier wohnten. Gleiche Rechte und gleiche Pflichten.“
Seitens der Bayerischen Staatsregierung und in Vertretung der Sozialministerin Kerstin Schreyer überbrachte Ministerialdirektor Dr. Markus Gruber die besten Grüße und erläuterte, dass es wichtig sei „zu wissen woher man kommt und die Wurzeln zu betonen, weil dann auch eine Basis für Selbstbewusstsein gegeben ist.“ Außerdem sprach er die Vielfalt im HdH als Bereicherung an und schloss: „Für Vielfalt gibt es ein gemeinsames Band: Europa, das durch gemeinsame Werte verbunden ist, auf Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Minderheiten setzt.“ SPD-Stadtrat Thorsten Brehm, auch in Vertr. des Schirmherrn OB Dr. Ulrich Maly, freute sich auch, dass diese Aussiedlerkulturtage im Zeichen Europas stehen und fuhr fort: „Wir haben alle den Wunsch, dass sich dieser große Staatenverbund auch um die großen gesellschaftlichen Fragen unserer Zeit kümmert: Flucht und Migration, Klima, fairen Handel, Menschenrechte. Da lohnt es sich nicht mehr, in Nationalstaaterei kleinteilige Antworten zu suchen! Und bei aller Kritik: Europa ist ein einzigartiges Friedensprojekt, bei dem sich gerade auch Ihre Generation eingesetzt hat, wofür ich, ein Vertreter der jüngeren Generation, sehr dankbar bin. Dabei sehnen wir uns auch nach den überschaubaren Größen Gemeinschaft, Geborgenheit – was man unter „Heimat“ zusammenfassen kann. Wir als Demokraten sollten nicht zulassen, dass radikale Gruppen diesen Heimatbegriff braun anpinseln. Denn Europapolitik sollte nicht Gegeneinander und nicht Nebeneinander, sondern ein Miteinander sein.“ Mit dieser Vielfalt in Nürnberg schlug er den Bogen zur Bewerbung Nürnbergs als Europäische Kulturhauptstadt. Marcus König, der Fraktionsvorsitzende der CSU im Stadtrat, findet es „so wertvoll, wenn Menschen über den Tellerrand hinausblicken und sich für andere einsetzen. So wie das HdH sehe ich übrigens auch Europa als Haus unserer Heimat.“ Ein Zitat von Franz Josef Strauß hat er so umgedichtet: „Nürnberg ist unser Zuhause, Bayern unsere Heimat, Deutschland unser Vaterland und Europa unsere Zukunft!“ Dr. Hartmut Beck, Stadtrat der Freien Wähler, lenkte den Blick auf den Stadtteil: „Was wäre Langwasser ohne das HdH? Und was wäre das HdH ohne die Aussiedlerkulturtage? Sie sind eine Bereicherung für die ganze Stadt!“ Horst Göbbel sprach in seinem bebilderten Vortrag weitere Facetten Europas an, darunter interessante Aspekte der Wahlwerbung.
Tatjana Schneider stellte kurz die Bilderausstellung der Künstlerinnen ihres Malkurses „Colorit“ vor: Ljudmila Kuschnir, Olha Weber, Ludmila Nikityuk und sie selbst zeigten Bilder aus verschiedenen Ländern. Die Gespräche beim anschließenden Buffet rundeten einen interessanten Abend ab, dem auch viele Vertreter befreundeter Institutionen als Ehrengäste beiwohnten.
Zu den Klängen der Blaskapelle „Blechklang“ unter der Leitung von Hans Eichinger zogen am Sonntag, 19. Mai Trachtenträger der Banater Schwaben, Oberschlesier, Russlanddeutschen und Siebenbürger Sachsen feierlich in die Kirche ein und umrahmten den Gottesdienst, wie es früher oft der Fall gewesen ist. Unter der Leitung von Angelika Meltzer sang zunächst der große Gemeinschaftschor bestehend aus dem Fürther Chor und dem Chörchen der Siebenbürger Sachsen, dem Chor Heimatklänge der Russlanddeutschen, dem Chor der Sprachschüler des HdH, verstärkt durch einige Oberschlesier und Banater Schwaben und zusammen mit dem Chor Kol Chaim der Kirche St. Leonhard sehr beeindruckend das „Magnifikat“. Pfarrerin Sabine Hirschmann hatte ihre Predigt passend dazu aufgebaut und führte beeindruckend aus, dass Gemeinschaft im Singen mutig macht und Kraft gibt.
Den Gottesdienst und das anschließende Fest auf dem Platz vor der Kirche St. Leonhard mit vorbereitet und organisiert hatte seitens der Kooperationspartnerin, der SinN-Stiftung Nürnberg, Frau Dr. Sabine Arnold mit ihrem Team, das aus Helfern in der Küche und mehreren jungen Leuten auf dem Platz bestand. Ihnen ist weitgehend zu verdanken, dass etwa 300 Aktive und Kirchgänger plus Zuschauer aus dem Stadtteil St. Leonhard-Schweinau nach dem Gottesdienst bestens bewirtet und freundlich umsorgt wurden. Da auch das Wetter mitspielte, wurde dieser Kulturtag ein schönes entspanntes Fest des Miteinanders kurz vor der wichtigen Europa-Wahl. So mancher Zuschauer entdeckte die Vielfalt in den Trachten der Aussiedler, staunte auch über die vielfältigen Arten der Polka, die von mehreren Tanzgruppen aufgegriffen und unterschiedlich präsentiert wurde, wie Karline Folkendt die Gäste anmutig moderierend aufklärte. Zuerst hatten knapp 80 Trachtenträger zu den Klängen der Blaskapelle ihren traditionellen Trachtenaufmarsch vorgeführt, dann traten die Tanzgruppen auf und zeigten ihr Können: die Banater Trachtengruppe Nürnberg (Ltg. Melanie Kling/Johann Burger), von den Siebenbürger Sachsen Nürnberg die Jugendtanzgruppe (Ltg. Kathrin Kepp) und Nadescher Tanzgruppe (Ltg. Jessica Roth/ Alexandra Wolff), von den Russlanddeutschen die „Schmetterlinge“ aus Fürth (Ltg. Lena Borisowa), aus der Tanzschule Hof (Ltg. Franz Hof) und „White Shadows“ (Ltg. Katharina Kais) aus dem Haus der Heimat Nürnberg. Volkstanz wechselte sich mit HipHop und Showtänzen ab, alte farbenprächtige Trachten mit phantasievollen Kostümen. Eine schöne Kulisse für die Politiker, die auch am Sonntag das große Gemeinschaftserlebnis lobten und Grußworte sprachen. Michael Frieser, MdB hatte es möglich gemacht, zwischen zwei Terminen vorbeizuschauen und nach herzlichen Worten für das schöne Fest in Gemeinsamkeit, für die anstehende Europawahl zu werben: „Es lohnt sich, gemeinsam an Traditionen und für die Zukunft zusammen zu halten. Gehen Sie also zur Wahl, bewegen Sie auch andere, mitzugehen!“ Als Vertreterin des OB Dr. Ulrich Maly und auch schon beim Gottesdienst anwesend überbrachte SPD-Stadträtin Diana Liberova die Grüße der Stadt Nürnberg und sagte: „Ich freue mich, dass wir hier die Vielfalt des Deutschseins feiern! Denn Sie stehen mit Ihren Trachten, ihrer Anwesenheit, Sprache und Liedern, mit Ihrer Kultur dafür, dass wir uns noch mal dran erinnern, dass das Deutschsein noch nie monoton war, sondern schon immer eine Vielfalt darstellte, eine Vielfalt, die regional geprägt ist, die auch europäisch geprägt ist und die uns auch als heutiges Deutschland ausmacht. Wir, die Gesellschaft, sind eine Einheit in Vielfalt. Ich wünsche, dass wir uns Akzeptanz schenken, Wertschätzung der Unterschiedlichkeit. Wir sind alle Europa!“
Doris Hutter
für die Aussiedlerverbände