25.01.2015:

1945-2015 Erinnern. Gedenken. Mahnen. Andacht und Gedenkstunde in Nürnberg

„Wir wollen in dieser Andacht erinnern und gedenken an die schrecklichen Ereignisse vor 70 Jahren und zugleich mahnen, dass Völkermord, Deportation, Flucht, Vertreibung auch heute nicht geschehen dürfen. Ich möchte zu Beginn unserer Andacht eine Kerze anzünden, die umgeben ist von Stacheldraht, ein Funken Hoffnung in der unsicheren Zeit, hinter dem Stacheldraht. Die Kerze brennt für die Opfer der Deportation in die Sowjetunion, für die vielen Opfer von Krieg, Gewalt und Unrecht, von Flucht und Vertreibung überall in der Welt.“ So umschrieb Pfarrer Johann Rehner das Vorhaben des Hauses der Heimat (HdH) vom Sonntag, 25. Januar, in der Nürnberger Sebalduskirche. In seiner eindringlichen Predigt zu Jesaja Kap.54,7-10 verglich Pfarrer Rehner die babylonische Gefangenschaft mit der Lage um 1945. Gott hatte durch seinen Propheten versucht, sein Volk zu trösten – ein Volk, das in großer Not und Elend war, verschleppt nach Babylon zu Zwangsarbeit und Frondienst. Ähnlich schien die Lage knapp vor 1945, am Kriegsende und danach, als Millionen Menschen von der Gewaltherrschaft der Nationalsozialisten sowie von Flucht, Deportation, Vertreibung betroffen waren, als hoffnungslos Tod, Hunger, Zerstörung, Leid ohne Ende zu erdulden war. Jedoch so, wie in babylonischer Zeit, blieb Gott nahe. In vielen Erlebnisberichten von Betroffenen ist zu lesen: „Allein der Glaube hat uns geholfen, dass wir diese schwere, bittere Zeit überstehen konnten. Der Glaube hat uns die Hoffnung erhalten, dass wir nicht elend zugrunde gehen.“ Kirchenmusikdirektor Martin Schiffel begleitete die Andacht einfühlsam-feierlich an der Orgel, die Gemeinde sang Dietrich Bonhoeffers „Von guten Mächten wunderbar geborgen.“
Anschließend begrüßte Horst Göbbel, Vorsitzender des HdH, in der Ehrenhalle des Nürnberger Rathauses über 200 Anwesende, unter ihnen Deportierte und Vertriebene von 1945 und führte in die unter der Schirmherrschaft von Oberbürgermeister Dr. Ulrich Maly stehende Gedenkstunde ein. Er betonte dabei die große Schuld, die unser Volk während der NS-Zeit auf sich geladen hat, das große schwere Leid, das dem deutschen Volk besonders nach dem Zweiten Weltkrieg zugefügt wurde und die Tatsache, dass unser Volk mit seiner Geschichte verantwortungsvoll umgeht, die Verbrechen seiner damaligen Staatsführung offen gelegt und Verantwortung übernommen hat. „Wir erinnern an NS-Völkermord, an Zerstörung, Flucht, Deportation, Vertreibung, Entwurzelung. Zugleich aber auch an Wiederaufbau, an Tatkraft, an Neuanfang.“ Göbbel stellte klar: „Flucht, Vertreibung, Deportation der Deutschen stehen im Kontext der diabolischen nationalsozialistischen Expansions-, Vernichtungs- und Lebensraumpolitik und ihrer Folgen. Wenn heute hier der Völkermord an den Juden gemeinsam mit der Deportation oder der Flucht und Vertreibung von Deutschen genannt wird, dann keineswegs, um Unvergleichbares mit anderen Verbrechen zu vergleichen, sondern lediglich, um Zusammenhänge, die nicht verschwiegen werden dürfen, aufzuzeigen. Denn leider stimmt es auch: Unrecht hat in der Geschichte oft zu neuem Unrecht geführt. Jedoch schafft früheres Unrecht, auch wenn es noch so groß war, keine rechtliche oder moralische Legitimation für neues Unrecht. Das gilt auch und gerade für die Deportation bzw. für die Vertreibung der Deutschen im östlichen Europa nach 1945. Die deutsche Verantwortung für die verbrecherische Politik der Nationalsozialisten wird durch diesen Befund nicht relativiert.“ Unser aller Ziel, führte er abschließend aus, bleibe Versöhnung und Verständigung, ein friedliches Europa, eine friedliche Welt. Erniedrigungen und Entbehrungen dem Vergessen entreißen als Mahnung zum Frieden bleibe unsere Aufgabe. „Rechtzeitig mahnen, sich rechtzeitig wehren, wenn Menschenrechte mit Füßen getreten werden – ist auch unser Auftrag.“

Das Erinnern, Gedenken, Mahnen wurde anschließend hauptsächlich durch den Vortrag von literarischen Texten zu den Themen Völkermord, Deportation sowie Flucht und Vertreibung der Deutschen vor 70 Jahren fortgeführt. Horst Göbbel las einen Text zur Judenvernichtung, Lydia Pasternak zur Deportation der Russlanddeutschen, Michael Markel zur Deportation der Siebenbürger Sachsen, Helmine Buchsbaum zusammen mit Johann Roch (er wurde 1945 als Sechzehnähriger in die Sowjetunion zur Zwangsarbeit verschleppt) zur Deportation der Banater Schwaben, Christane Webert zur Vertreibung aus Schlesien und Dr. Sieghard Rost zur Flucht und Vertreibung aus Ostpreußen und Pommern.
Das Klarinetten-Duo Michael Bielz und Franz Dugonitsch umrahmten die Veranstaltung, die vom Bezirkstagspräsidenten Richard Bartsch und von mehreren Stadträten besucht wurde, musikalisch, wobei die SPD-Fraktionsvorsitzende Anja Prölß-Kammerer den Schirmherrn vertrat.

Horst Göbbel