„Der weite Weg zurück“
Russlanddeutsche sind ein Teil der deutschen Geschichte
Überzeugender und unterhaltsamer könne Geschichte nicht vermittelt werden, als es das Schauspielerehepaar Maria und Peter Warkentin in seinem Stück „Der weite Weg zurück“ tut, betonte Dr. Sabine Arnold bei der Eröffnung der Abendveranstaltung in der Epiphaniaskirche Nürnberg am 12. April 2013. Die Theateraufführung des Russland-Deutschen Theaters Niederstetten ist Teil der Reihe „Einmal Russland und zurück. 250 Jahre Katharinenerlass“, die im Jubiläumsjahr 2013 von der Evangelischen Stadtakademie Nürnberg, dem Haus der Heimat Nürnberg, der evangelischen SinN-Stiftung Nürnberg, dem Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland (Ortsgruppen Nürnberg und Fürth) durchgeführt wird.
Der Einladung der Veranstalter zur Theatervorführung folgten zahlreiche einheimische und russlanddeutsche Mitglieder der Kirchengemeinde Seeleinsbühl-Leyh sowie interessierte ortsansässige und zugewanderte Landsleute aus Nürnberg und Umgebung. Aus Sulzbach-Rosenberg kam gleich eine ganze Gruppe angereist: Einheimische und zugewanderte Deutsche ließen sich von der Aussiedlerin Erna Horn für die Theatervorstellung begeistern.
Bereits im Vorraum konnten sich die Gäste über die Geschichte der Deutschen aus Russland informieren. Der Historische Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V. hat diese in einer fünfteiligen Darstellung unter dem Motto „250 Jahre Einladungsmanifest von Katharina II. – 250 Jahre russlanddeutscher Kulturgeschichte“ in Bild und Wort zusammengefasst. Es geht von der der Auswanderung unter Katharina der Großen über gute und schlechte Zeiten im Russischen Reich und der Sowjetunion bis hin zur Rückwanderung in das Land der Vorfahren.
All diese Aspekte konnten die Zuschauer auch auf der Bühne verfolgen. Mit höchster schauspielerischer Ausdruckskraft brachten die Schauspieler Maria und Peter Warkentin die Geschichte ihrer Volksgruppe in Spielszenen, Liedern und Tänzen zum Ausdruck. Im Mittelpunkt des Stückes steht die Suche nach dem Selbst und der eigenen Geschichte derjenigen Deutschen, deren Familiengeschichten durch die Wanderung der Vorfahren von Deutschland nach Russland bestimmt wurden und die selbst als Aussiedler/Spätaussiedler/Zu-Spätaussiedler wieder nach Deutschland zurückkamen. „Der weite Weg zurück“ ist ein Programm über Geschichte und Kultur der Deutschen aus Russland, mit Liedern, Gedichten, Humoresken und Schwänken im „wolgadeutschen“ Dialekt. „Wir sind anders“, meint Maria Warkentin, um dann im temperamentvollen Originalton der Wolgadeutschen zu „verzehlen“. „Njemzy“, die Stummen, wurden die ersten Deutschen Siedler vor Jahrhunderten in Russland genannt, weil sie kein Russisch sprachen.
Die Zeiten haben sich geändert. Hunderttausende sind wieder in die alte Heimat zurückgekehrt. Doch wer sind sie? Rückkehrer, Zugereiste, Einwanderer, Aussiedler, Spätaussiedler, Zu-Spätaussiedler, Deutsche… Russen…? Die Frage „Wo bin ich eigentlich zu Hause?“ steht ständig im Raum. Welche Gefühle haben Aussiedler, wenn sie ihrer alten Heimat den Rücken kehren uns sich in der Fremde, dem Land ihrer Urgroßväter, eine neue Existenz aufbauen? Welche Schwierigkeiten und Probleme sind dabei zu meistern, welche Barrieren abzubauen? Maria und Peter Warkentin versuchen in ihrer Szenencollage darauf eine Antwort zu finden. Historische Einblicke werden im Stück von kleinen Konzerten unterbrochen. Russische Romanzen, deutsche Lieder und Humoresken im wolgadeutschen Dialekt begeistern die Zuschauer. Es werden Gefühle angesprochen – sensibel, lehrreich und humorvoll. Das Theatererlebnis sei „ein Lehrstück und sollte Pflichtveranstaltung für den Geschichtsunterricht an unseren Schulen sein. Wer noch Vorurteile gegenüber den russlanddeutschen Mitbürgern hegen sollte, wird in diesem Stück zum Nachdenken gebracht“, soweit die Wahrnehmung vieler Zuschauer.
Ob „Der Sohn Waldemar“, „Annemaries und Peters Hochzeit“, Kindheitserinnerungen oder Heimatschwänke, Gedichte oder Schnörkellieder – zu der stimmungsvollen Musik und dem Gesang wird geklatscht, gelacht und mitgesungen. An manchen Stellen kommen vielen die Tränen – egal ob hier geboren oder zugewandert, weil man immer wieder an Begebenheiten aus der eigenen Familiengeschichte erinnert wird. Und so wird auch bei dieser Vorstellung vielen Zuschauern klar, dass die Geschichte der Deutschen aus Russland ein Teil der gesamtdeutschen Geschichte ist – die Gemeinsamkeiten sind viel größer als die Unterschiede.
„Maria und Peter Warkentin sind Schauspieler mit Leib und Seele. Das Faszinierendste ist ihre dem Gegenüber zugewandte körperliche Präsenz. Die konzentrierte Kraft ihres Spiels zieht den Zuschauer in einen tiefen Sog, der bis in die letzten Reihen reicht.
Tief berührt dankte Doris Hutter, die Geschäftsleiterin des Hauses der Heimat, die keine Russlanddeutsche ist, den Schauspielern für deren große Kunst, ihre Geschichte auf so herzlich sympathische Weise nachvollziehbar dargestellt zu haben.
Nina Paulsen, Nürnberg
(Fotos: Nina Paulsen und Markus Stoffel)