„Am anderen Ufer: Russlands Deutsche – aus der Vergangenheit in die Zukunft“
Russland und Deutschland „hatten eine gemeinsame Geschichte, die sich nicht selten dramatisch bis tragisch gestaltete, aber auch von vielen nachbarschaftlichen Beziehungen gezeichnet wurde“, betonte Andrey Grozow, Generalkonsul der Russischen Föderation in Bayern, in seiner Ansprache bei der Vernissage der Ausstellung „Am anderen Ufer: Russlands Deutsche – aus der Vergangenheit in die Zukunft“ am 9. April 2013 im Südpunkt Nürnberg. Einen beachtlichen Beitrag zur Erhaltung dieser nachbarschaftlichen Beziehungen leisteten im Laufe von Jahrhunderten zahlreiche Deutsche im Russischen Reich und leisten heute die Russlanddeutschen in Russland und in Deutschland. Sie stehen im Mittelpunkt der Ausstellung, die in 60 Lebensgeschichten (30 von russischer und 30 von deutscher Seite) in Bild und Wort die Schicksale der Russlanddeutschen im 20. und 21. Jahrhundert dokumentiert. Viele von ihnen sind Brückenbauer zwischen den Kulturen und Ländern in ihren Heimaten.
Die Ausstellung wurde vom Haus der Heimat Nürnberg, dem Historischen Forschungsverein der Deutschen aus Russland e.V. (HFDR) und der Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V. (Ortsgruppen Nürnberg und Fürth) veranstaltet. Zahlreiche Gäste aus den veranstaltenden Organisationen, Vertreter der demokratischen Parteien, Vereine und Einrichtungen folgten der Einladung. Auch viele Teilnehmer des Projektes waren anwesend, sie kommen aus allen Altersgruppen, Berufen und gesellschaftlichen Schichten., darunter der Boxer Robert Stieglitz, der Jongleur Thomas Janke, Rosa und Viktor Uhl vom „BV Heimat“ e.V., der Sportlehrer Igor Weber, der Autor Oskar Schulz, die Informations-Designerin Veronika Hilz sowie Vertreter der Monolith-Süd GmbH (sorgte für das reichhaltige Büfett). Durch den Abend führte Dorothea Walter (Öffentlichkeitsreferentin der Ortsgruppe Nürnberg), die den Begriff „Heimat“ in ihrer Moderation immer wieder reflektierte.
Der Landesvorsitzende der Landesgruppe Bayern, Waldemar Eisenbraun, der inzwischen Bundesvorsitzender ist, begrüßte die Anwesenden und erinnerte in einem Rückblich an die Geschichte der Russlanddeutschen, vor allem an die Nachkommen der deutschen Kolonisten, die vor 250 Jahren dem Ruf der Katharina II. nach Russland folgten. Wladimir Seitz, Vorsitzender der Ortsgruppe Fürth und stellv. Vorsitzender des HdH Nürnberg, begrüßte die Ehrengäste. Grußworte sprachen auch Robert Stieglitz (Magdeburg) und Veronika Hilz (Böblingen, „BV Heimat“ e.V.). Die Idee zu dem Ausstellungsprojekt ist zwar bei den Russlanddeutschen, die heute noch in der Uralregion leben, entstanden, wurde aber in Deutschland maßgeblich von der Zeitung „Heimat/Rodina“ unterstützt.
Das Projekt „Am anderen Ufer: Russlands Deutsche – aus der Vergangenheit in die Zukunft“ (Ausstellung und Album) der Autoren Natalia Paegle (Texte) und Vadim Ossipow (Fotos) aus Jekaterinburg/Russland wird Im Rahmen des Deutschlandjahres in Russland (2012/13) und des Russlandjahres in Deutschland (2013/14) unter dem Motto „Deutschland und Russland: gemeinsam die Zukunft gestalten“ in beiden Ländern präsentiert. Nach mehreren Stationen in Russland wandert die Ausstellung nun auch in Deutschland, wo sie in Nürnberg (9.-24.04.2013), Stuttgart, Hamburg und Berlin Einzug hält.
Michael Frieser, MdB (Mitglied des Bundestages, Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion) erinnerte sich in seiner Ansprache an die Eröffnung des Deutschlandjahres auf dem Roten Platz in Moskau im Juni 2012, die mit einem 300 Quadratmeter großen Dürer-Puzzle aus Nürnberg, einer zehn Meter auf 15 Meter großen Version des berühmten „Selbstbildnisses im Pelzrock“, startete. „Ich habe erlebt, dass man sich in Russland als Deutscher sehr wohl fühlt“, so Frieser, der fernerhin auch die Leistung der Russlanddeutschen bei der Integration würdigte. Anerkennende Worte für die zugewanderten Deutschen, die in Nürnberg wohnen und das Leben in ihrer neuen Heimat mitgestalten, fand auch die Stadträtin Brigitte Reuter, die die Gäste in Vertretung des OB Dr. Ulrich Maly begrüßte.
Für die musikalische Umrahmung sorgte unter anderen Lidia Gottfried (geb. Bäcker) aus Kassel, die das Publikum mit deutschen und russischen Liedern unterhielt. Am Klavier wurde sie von Alexander Worobjow begleitet. Gocha Jaschagaschvili präsentierte seine eigene Musik, eine Vertonung des Gedichtes von Reinhold Frank „Lied der Deutschen aus Russland“. Peter Treu stellte sein Gesangsensemble vor, das sich mit geistlichen Liedern vorstellte. Auch Treu definierte den tieferen Sinn des Begriffes „Heimat“ – vor allem als Geborgenheit und Identität. „Heimat ist immer Heimat, auch wenn die Heimat dich falsch behandelt hat“, so Treu mit Blick auf die wechselvolle Geschichte der Russlanddeutschen. Der 18-jährige Thomas Janke, der jüngste und schnellste Profi-Jongleur Europas, erntete begeisterten Beifall der Gäste für virtuose Übungen mit Keulen, Ringen und Bällen. Die Ausstellung wurde ergänzt durch die Bilder zum Thema der russlanddeutschen Geschichte vom Kunstmaler Adam Heinz aus Bremen und die Plastiken des Bildhauers Rudolf Fischer aus Nürnberg.
Zum Schluss verlasen Rosa Uhl und Peter Treu ein Grußwort der Autoren des Projektes aus Jekaterinburg: „Unser Projekt ist nicht nur ein Kulturaustausch zwischen zwei Ländern, sondern das ist die Widerspiegelung eines nicht einfachen Schicksals des Volkes, das oft Volk auf dem Weg genannt wird. Mit unserem Projekt haben wir zwischen diesen zwei Ufern eine Brücke gebaut, und die Projektteilnehmer und Teilnehmerinnen bauten eine Brücke zwischen zwei Ländern – Russland und Deutschland, um die Zukunft gemeinsam zu gestalten.“ Und so erzählen die Teilnehmer aus Russland, warum sie geblieben sind und wie sie ihr Leben meistern. Die Teilnehmer aus Deutschland berichten über die Schwierigkeiten der Integration und ihre Erfahrungen im Land der Vorfahren, in dem sie nicht selten ihr gesamtes Durchsetzungsvermögen einsetzen und dem Gegenwind standhalten mussten.
Mehrere Förderer und Helfer von russischer und deutscher Seite haben das anspruchsvolle Vorhaben unterstützt, darunter die Verwaltung des Gouverneurs des Gebiets Swerdlowsk, das Deutsche Generalkonsulat Jekaterinburg, die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur, die Vereinigung „Heimat e.V.“ (Deutschland), die Internationale Unternehmensgruppe „Monolith Gruppe“ (Deutschland), der Holding UNACO Group (Russland) sowie Kulturstiftungen, Zeitungen, Museen, Universitäten und deutsche Kulturzentren der Gebiete Swerdlowsk und Tscheljabinsk im Uralgebiet.
Nina Paulsen
Portraits zweier prominenter Gäste der Veranstaltung:
Thomas Janke gehört zu den schnellsten Jongleuren der Welt.
Sein Markenzeichen: Schnelligkeit. Auf die sieben Bälle folgen sieben Ringe, die mit so hoher Geschwindigkeit durch die Luft gewirbelt werden, dass ihre Form verschwimmt. Vor über zwei Jahren fing Thomas Janke an, fünf Keulen möglichst schnell hintereinander hinter dem Rücken hochzuwerfen. Ein Kunststück, das einem Jongleur so viel Zielsicherheit abverlangt, dass es weltweit nur von einer Handvoll Menschen beherrscht wird. Was bei Thomas so leicht und entspannt aussieht, ist in Wirklichkeit harte Arbeit: „Früher habe ich täglich bis zu sechs Stunden trainiert, natürlich nur wenn abends keine Show anstand. Heute trainiere ich ungefähr drei Stunden am Tag, danach merke ich schon, dass die Konzentration nachlässt.“
Die Familie Janke kam 1990 aus dem Gebiet Krasnodar/Südrussland nach Deutschland, Thomas selbst wurde in Memmingen geboren. Mit acht begann er mit dem Jonglieren in der Zirkusgruppe die „Quirligen“ im TV Memmingerberg, seit über sieben Jahren tritt er „solo“ auf. Kurz darauf wurde er als jüngster Profijongleur Deutschlands bekannt. Mit elf Jahren hatte Thomas sein erstes Engagement in Holland, er pendelte zwischen Schule und Zirkus hin und her. Die Tempojonglage ermöglichte ihm Auftritte in Holland, Russland, Frankreich, Belgien und Italien. Es folgten Auftritte im Zirkus (Pimpernelli, Renz oder Variete Goldfisch in Karlsruhe) und Festivals haben ihm in kurzer Zeit zahlreiche Siegesurkunden und Preise eingebracht: Er errang den 3. Platz in der Kategorie „6- 13“ beim Lilalu-Zirkusfestival 2005 München, den 3. Platz beim Kleinkunstfestival 2006 Ulm, Gold im Nachwuchswettbewerb beim 5. Dresdener Variete und Zirkusfestival 2006 und den 2. Platz in der Gruppe bis 17 Jahren bei dem internationalen Festival European Youth Circus 2006 Wiesbaden. Bei der Galashow des internationalen Nachwuchsfestivals „Premiere Rampe“ in Monte Carlo 2007 konnte er die fürstliche Familie sowie weitere fast 4000 Zuschauer zu Beifallsstürmen bewegen. Sein großer Traum ist, den „Goldenen Clown“ (der höchste Preis für Artistik) in Monte Carlo zu gewinnen.
Robert Stieglitz – WBO-Boxweltmeister im Supermittelgewicht
Der Russlanddeutsche Robert Stieglitz, Profiboxer vom SES (Sport Event Steinforth) Magdeburg, ist der neue deutsche WBO-Weltmeister im Supermittelgewicht. Erst vor kurzem hat er sich den WM-Gürtel von Arthur Abraham zurückgeholt. Der 31 Jahre alte Magdeburger besiegte vor 7000 Zuschauern in Magdeburg den Berliner WBO-Champion Arthur Abraham durch Technischen K.o. in der vierten Runde. Damit nahm Stieglitz erfolgreich Revanche für die Punktniederlage im ersten Duell vor sieben Monaten. Im Alter von 19 Jahren siedelte der 1981 im russischen Ejsk/Krasnodar geborene Stieglitz nach Deutschland über. Nach Magdeburg holte ihn der Freund seines Vaters Joachim Benk. Bereits als Schüler hatte Robert zuerst Fußball, dann klassisches Ringen und Karate ausprobiert, mit 15 Jahren begann er zu boxen. Schnell konnte er auch seine ersten Sporterfolge verzeichnen und sich den Meistertitel in Südrussland holen. Im Boxclub Magdeburg fasste Robert ebenfalls schnell Fuß, seit 2001 ist er hier unter Vertrag. Sein Profidebüt bestritt er 2001 und holte sich ein Jahr später den Juniorentitel des IBF-Verbandes im Halbschwergewicht. Nach drei Titelverteidigungen wechselte er 2004 in das Supermittelgewicht und gewann auch hier den Juniorentitel sowie 2005 den „Intercontinental“-Titel der IBF. Durch weitere Titelgewinne 2009, 2010 und 2012 konnte er sich in der IBF-Weltrangliste hocharbeiten. Nunmehr hat er von 47 Profikämpfen 44 gewonnen. Seit 2009 besitzt Stieglitz die deutsche Staatsangehörigkeit. Parallel zu seiner Boxkarriere absolvierte Robert ein Fernstudium an einer Sportakademie.