21.04.2012:

BuKo 12 – Bundeskongress Interkultur. Kunstpädagogik remixed

Malkurse für junge Zuwanderer mit Wurzeln in Russland
Workshop im HdH Nürnberg zu den Themen
Erfahrungen und Erwartungen an Themen, Bildsprache und Unterrichtsformen

Kunstvermittlung und Kunstpädagogik müssten sich neu positionieren, da sich Zielgruppen, Methoden und Fachinhalte durch migrationsbedingte und globale Verschie¬bungen immer mehr verändern, stand im Faltblatt der Tagung. Doch wie? Dieser Frage ging der Kongress in Nürnberg nach. Profilierte Vertreter aus Kunstpädagogik, Kultur, Forschung und Politik kamen dabei zu Wort. Es präsentierte sich die vielfältige kulturelle Szene mit Projekten, Institutionen und Aktionen. Gefragt waren Möglichkeiten zur Orientierung und zur Positionierung in einem noch unübersichtlichen Feld. Der Kongress ermöglicht, kunstpädagogische Ideen, Perspektiven und Konzepte weiterzuentwickeln.

Einer der Workshops fand am 21. April 2012 im Haus der Heimat Nürnberg statt. Die Leitung hatte Irina Trautwein, Diplom-Kunstlehrerin, inne, die Organisation oblag Doris Hutter, Geschäftsleiterin des HdH. Die Teilnehmer waren Kunstlehrer, Künstler, Pädagogen und neun Malkursschüler mit einigen ihrer Werke.

Die Malkurse von Irina Trautwein im Haus der Heimat Nürnberg werden von Jugendlichen mit Wurzeln in Russland und von einheimischen Jugendlichen je eine volle Doppelstunde pro Woche besucht. Sie umfassen drei Gruppen von ca. 12 Schülern: Vorschulkinder und zwei Gruppen Fortgeschrittene: ab 12 bzw. ab 15 Jahren. Organisiert werden sie vom Verein Artec proiectum e.V. mit Sitz im Haus der Heimat und Körperschaftsmitglied des Vereins Haus der Heimat e.V. Nürnberg. Die Leiterin des Projektes, Irina Trautwein, ist ausgebildete „Lehrerin für darstellende Kunst, Zeichnen und Werkunterricht“. Sie hat als Kunstlehrerin in der Kunstschule sowie als Assistentin des Lehrstuhls für Malerei und Skulptur an einem Institut in Tomsk/Russland und als Lehrerin an einer Akademie in Alma-Ata/Kasachstan gearbeitet.
Sie ist freiberuflich tätig. Für die Schüler ist der Malkurs Freizeitbeschäftigung. Der Inhalt der Malkurse reicht von sinnvoller Freizeitbeschäftigung für an der bildenden Kunst interessierte junge Menschen bis zum Hinführen an verschiedene Techniken und dem Anleiten und Mut machen zur eigenen Kreativität. Der Berufseinstieg wird mit praktischem Rat gefördert (z.B. Tipps, wo man ein Praktikum machen könnte; Rat, in welche Richtung sich die Schüler weiterentwickeln könnten).

Am 21. April begann der Workshop mit dem Besuch der Malkurse in den Räumen des HdH unter der Leitung von Irina Trautwein und Wladimir Egorow, wobei die Unterrichtspraxis erfasst und mit den jüngeren Malkursschülern kurz gesprochen werden konnte. Danach erfolgte im Seminarraum die Vorstellung des Projektes und der Leiterin Irina Trautwein mit der Konzeption ihrer Kunstschule. Neun Schüler ihres Malkurses im Alter von 14 bis 19 Jahren präsentierten ihre Arbeiten und stellten sich den Fragen der Workshop- Teilnehmer. Dabei wurde u.a. auch der Kunstunterricht in der Schule beleuchtet und die positiven Folgen der Malkurse festgestellt, z.B. dass Kunst Türen öffnet: Man wird (auch als Zuwanderer) gesellschaftlich besser anerkannt. Es fiel das große Selbstbewusstsein der Malkursschüler bei der Präsentation ihrer Bilder auf. Und dass die Schüler über begeisterte (Schul-)Freunde zu den Malkursen kommen, Werbung also nicht mehr nötig ist. Bei der eigenen Themen- oder Technikwahl unterscheiden sich die Schüler mit Migrationshintergrund nicht nennenswert von den einheimischen Schülern, die die Malkurse besuchen. Das Interesse an den Kursen ist groß, die Verweildauer zwei bis fünf Jahre und die Erfolgsrate beim Berufseinstieg oder weiterführenden Schulen nennenswert: 30-40% der Malkursschüler erreichen ihr Ziel. Die Bilder werden in Gruppenausstellungen in verschiedenen Institutionen aus Nürnberg und im Haus der Heimat gezeigt. Außerdem werden die jungen Künstler an Projekten beteiligt, wie z.B. 2006 bei der Ausstellung mit Vernissage im HdH und Kinder- Kunstkatalog „Freche Pinsel – coole Kunst“.

Man kam u.a. zur Einsicht dass die Kunstpädagogik nicht nur ästhetische Erziehung vermitteln solle, sondern auch die sozialpolitische Komponente der Migration und Integration berücksichtigen möge, sowohl in herkömmlichen Bildungseinrichtungen als auch in Vereinen. Daher sollten die Themen Migration und Integration Bestandteil der Ausbildung/Fortbildung aller Kunstpädagogen sein. Der Erfolg der Kunstschule von Irina Trautwein im Haus der Heimat Nürnberg liegt außerdem in folgender Vorgehensweise: Erst lernt man in der Kunst das nötige Grundwissen (systematische, realitätsnahe Abbildung der Wirklichkeit), dann erst folgt die Entwicklung zur eigenen Kreativität.

Doris Hutter