Ensemble Flauto Dolce feiert im Haus der Heimat Jubiläum

Musikalischer Genuss - angesagt und geboten.

Mit einem exquisiten Vokal-Instrumentalprogramm von Girolamo Frescobaldi (1583-1643) mit seinen stimmungshaften „Canzona terza detta La Bernardinia“ und „Canzona Nona detta La Gualterina“ (aus dem Il Primo Libro delle Canzoni, Roma, 1628) bis hin zu den zwölffachen Variationen von Matthias Friederichs (*1954): „Happy Birthday“ (1977) (im Original, im gregorianischen Stil, Renaissance, Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus Mozart, Ludwig van Beethoven, Johannes Brahms, Johann Strauss, Igor Stravinsky, John Cage, Jazz, Dixiland). Und begeisterte das aufnahmebereite, vorwiegend siebenbürgisch-sächsische, ungarische und russlanddeutsche musikinteressierte Publikum im Haus der Heimat, eingeladen vom Nürnberger Kulturbeirat zugewanderter Deutscher.

Im ersten Teil des Konzerts, der europäischen Barockmusik gewidmet, erklangen einige gut abgestimmte Weisen namhafter Autoren: Nach Girolamo Frescobaldi waren es zwei weitere Italiener:  Claudio Monteverdi (1567-1643) mit dem Liebeslied: Canzonette d’amore SV2 (Venezia, 1584, Marco Uccellini (c. 1610-1680): La Bergamasca (1642) sowie die beiden Deutschen Andreas Hammerschmidt (1612-1675) mit dem Lied „Die Kunst des Küssens“, sowie Johann Sebastian Bach (1685-1750) mit einem Adagio-Allegro aus dem Trio BWV 585, sowie der Arie „Schafe können sicher weiden“ aus der Jagdkantate von 1713 (BWV 208). Mal ganz ehrlich: Es fühlt sich ganz anders an, wenn Musik über unerfüllte Liebe oder über die Kunst des Küssens („Nirgend hin als auf den Mund, da sinkt`s in des Herzens Grund, nicht zu frei, nicht zu gezwungen, nicht mit gar zu faulen Zungen, nicht zu lange, nicht zu weit, nicht zu langsam, nicht zu schnell, …“) mit entsprechenden einfühlsamen Weisen meisterhaft vorgetragen wird, als wenn mit zuletzt schrecklichen Ukrainekriegs- bzw. harten Börsen-Zoll-Nachrichten überschwemmt, vom böswilligen Duo Infernale Putin/Trump produziert, wir regelrecht Weltuntergangsstimmung empfinden.

Der zweite Konzertteil nach der Pause, in der Begegnung und Gespräch bei einem Glas Wein oder Wasser angesagt war, konzentrierte sich im Sinne eines wirklichen Saltus Carpaticus (Karpatensprung) auf alte Musik aus Siebenbürgen:  Joseph Bengraf (1745-1791): Ballet Hongrois (1784) / Franz Pfeifer (1780-1850): Lied Tartózkodó kérelem (1818) (Text: Mihály Csokonai) / Anonymus (Ms. Sankt Georg, 1757): Drei ungarische Tänze , weiterer Anonymus: Dojna / Anonymus (XVIII.): Lied „Când eram mai tinerică“ (Text: Ienăchiță Văcărescu) & Moldawische Tänze (Ms. Rouschitzki, 1834), Anonymus: Ciaccona (Ms. Josephus Fazakas Krizbacensis, 1738), dann Johann Sartorius (1712-1787): Arie Sonntag Invocavit (Hermannstadt) und  Anonymus (Maramureș): Traditionelle chassidische Lieder (Geshem / Eilu / Ashreinu / Toiro / Yah Ribon), schließlich als klares Jubiläumsfinale Matthias Friederichs (*1954): Happy Birthday (1977).

Manche mögen sich fragen: Barockmusik aus Siebenbürgen? Nun, wer Siebenbürgen zum Balkan zählt, meint vielleicht, Barockmusik sei bestenfalls nur bis Wien gelangt. Jedoch so, wie all die Jahrhunderte hindurch der geistige und künstlerische Austausch zwischen Siebenbürgen und Mittel- und Westeuropa (Architektur, Wissenschaft, Bildung) intensiv stattfand, war es unausweichlich, dass es Spielarten der Renaissance und des Barock – auch in der Musik - auch in Osteuropa, etwa in Siebenbürgen, damals Teil des Habsburgerreiches, gab. Der Kontakt mit der Musik Westeuropas war spürbar und unvermeidlich. Ebenso unvermeidlich waren dabei die natürlichen, deutlichen Einflüsse dieses Vielvölkerraums. Neben Werken von Siebenbürger Sachsen präsentiert Flauto Dolce daher auch alte Musik der Juden, Rumänen, Ungarn oder Roma.

Mit viel Anmut und innerer Freude begrüßte Inge Alzner für den Kulturbeirat zugewanderter Deutscher die Gäste und Musiker und informierte umfassend über Flauto Dolce und das anstehende Konzert. 

Das Ensemble Flauto Dolce wurde im Jahr 2000 von Zoltán Majó in Klausenburg gegründet und spielte mit ausschließlich historischen Instrumenten und authentischer Aufführungspraxis seither regelmäßig Konzerte in ganz Europa und sogar in Israel und Argentinien. 

Zoltán Majó (Flöte), ein unermüdlicher Verfechter der Bewegung der Alten Musik in Rumänien, lehrt ebenso wie Noémi Miklós – sie führte gekonnt jedes Stück ein – (Cembalo) an der Babes-Bolyai-Universität in Klausenburg, Mária Szabó (Flöte) unterrichtet an der Waldorfschule Klausenburg und Mihaela Maxim (Gesang) ist freischaffende Musikerin. 

Ziel des Ensembles ist es, dem Publikum die Blockflöte und das Cembalo durch alte Musik aus Renaissance und Barock oder des Rokoko, aber auch Musik unserer heutigen Zeit einen Platz im Musikleben zu sichern. Ebenso ist das Ensemble bemüht, frühe lokale Musik aus alten Manuskripten für die Konzertpraxis zu erarbeiten und sie der Öffentlichkeit zu präsentieren. All das niveauvoll und faszinierend. „Es war ein sehr schöner Abend mit einem gefühlvollen Publikum. Auch weil beim Konzert viele Sachsen und Ungarn anwesend waren, die sich von der alten Musik aus unserem schönen Siebenbürgen verzaubern ließen“, äußerte Zoltán Majó am Ende des Konzertes. Auf die Frage, ob diese Barockmusik uns auch heute in unseren schwierigen Zeiten etwas mitteilen könne, meinte Majo: „Nun, das Konzert hat ja fast 2 Stunden gedauert und ich hoffe und bin überzeugt, dass Sie eine Zeit erleben konnten, in der Sie Ihre Sorgen von heute vergessen haben, und es war, als wären Sie wie in Siebenbürgen neu geboren.“ Flauto dolce hat in Nürnberg wieder geglänzt. Für die Anwesenden war es genau richtig, an diesem ersten Aprilsonntag 2025 gerade mit Flauto dolce im Haus der Heimat Jubiläum zu feiern.   

Horst Göbbel


Anstehende Veranstaltungen

Zur Veranstaltungsübersicht →

Zurück
Zurück

Tage der Deutschen Kulturvielfalt der Stadt Nürnberg

Weiter
Weiter

Arbeitskreis Kultur und Soziales: Urzeln beim Fastnachtsumzug 2025