Gedenkfeier für die Opfer des 4. März 1919
Eingeladen von der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Kreisgruppe Nürnberg-Stadt, gedachten am 4. März mehrere Sudetendeutsche und Vertreter befreundeter Verbände der vor 89 Jahren für ihr Selbstbestimmungsrecht gefallenen Toten beim Denkmal für Flucht und Vertreibung am Hallplatz in Nürnberg.
Karl Bidmon, Kreisobmann der Sudetendeutschen Landsmannschaft Nürnberg, begrüßte u. a. einige Nürnberger Stadträte und Werner Henning, den Vorsitzenden des Bundes der Vertriebenen Nürnberg. Stadträtin Helmine Buchsbaum sprach ein Grußwort und Herbert Müller, Vorsitzender des Bundes der Vertriebenen Mittelfranken, hielt die Gedenkansprache. Die Kranzniederlegung erfolgte durch Mitglieder der Egerländer Gmoi. Sie wird vom Haus der Heimat Nürnberg gefördert.
Aus dem Grußwort von Helmine Buchsbaum:
Sehr geehrte Damen und Herren, gerne sind wir ehrenamtliche Stadträte Ihrer Einladung gefolgt, an der Gedenkveranstaltung teilzunehmen.
Erinnern, gedenken und nicht vergessen dürfen wir dieses Ereignis: Am 4. März vor 89 Jahren demonstrierten Hunderttausende deutscher Bürger Böhmens, Mährens und Sudetenland auf einer Vielzahl von Kundgebungen friedlich gegen die Verhinderung der Wahlen in die Nationalversammlung, also gegen die von ihnen abgelehnte und gewaltsam vollzogene Eingliederung in die neu geschaffene Tschechoslowakei. In sieben Kreisstädten schoss damals tschechisches Militär in die Menge. 54, davon 14 Frauen und I5 Jugendliche zwischen 11 und 18 Jahren starben. Über 100 wurden schwer verletzt. Die Opfer des 4. März 1919 erhielten keine Entschädigung, die Täter wurden nicht ermittelt und bestraft. Für die Sudetendeutschen wurde der 4. März als „Tag der Selbstbestimmung“ zu einem Gedenktag, der nach 1938 von den NS-Machthabern vereinnahmt und leider propagandistisch missbraucht wurde.
„Dieses Ereignis hat wesentlich zum Zusammenwachsen der herkunftsmäßig ganz unterschiedlich ausgeprägten Sudetendeutschen beigetragen. Andererseits hat die Gewaltanwendung mit vielen Opfern das Verhältnis von Tschechen und Deutschen überschattet. Für den Start des beiderseitigen Zusammenlebens war es ein unglückliches Zeichen. Auch heute ist dieser Tag eine Mahnung dafür, dass Gewalt und Ignoranz keine Probleme aus der Welt schaffen. Einander ernst nehmen, Lösungen offener Fragen herbeiführen wollen und die Gegenstände nicht ‚wider ihre Natur’ zu behandeln, das bleibt unsere Aufgabe – auf beiden Seiten. Dem Vertreibungsgeschehen gebührt ein fester Platz in unserer nationalen Erinnerung.“, so Christa Stewens, Bayerische Staatsministerin.
An vergangenes Unrecht zu erinnern kann dazu beitragen, künftig dem Unrecht frühzeitig zu wehren. An die Menschen zu erinnern, die Unrecht erleiden mussten, macht deutlich, dass hinter den Statistiken lauter Einzelschicksale stehen wie am 4. März 1919: Doch wir alle wissen, dass es unter der Decke der Zivilisation Abgründe gibt. Wir alle mussten in den letzten Jahren leider oft genug erleben, dass Rassismus und Menschen verachtende Gewalttaten auch in unserer Welt noch anzutreffen sind. Deshalb bleibt es eine Aufgabe, sich für Freiheit, für die Menschenwürde und für Toleranz einzusetzen.
Sehr geehrte Damen und Herren, Gedenken heißt, die Erinnerung zu bewahren und zu verbreiten. So wie es hier am Denkmal „Flucht und Vertreibung“ geschieht, wenn Zeitzeugen in Schulen oder auf Informationsveranstaltungen berichten, wenn an authentischen Stätten des Schreckens Ausstellungen informieren, wenn Gedenktafeln auf das Geschehene hinweisen. Es liegt allein an uns, die Chancen der Versöhnung zu nutzen. Und wenn wir das tun, dann bleibt der Friede in Deutschland und in Europa und irgendwann in der Zukunft – so hoffen wir – auch auf der ganzen Welt kein Traum. Lasst uns Frieden zur Wirklichkeit machen!