04.05.2007 - 06.05.2007:

Aussiedlerkulturtage der Stadt Nürnberg

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„Solidarisch unter uns Deutschen“
Aussiedlerkulturtage vom 4. – 6. Mai 2007 in Nürnberg

Im Gemeindesaal von „Maria am Hauch“ erreichte am Sonntag, dem 6. Mai die Aussiedlerparty bei bester Bewirtung durch die Sathmarer Schwaben und die Oberwischauer unter der Leitung von Anna Steinbinder und bei vertrautem Gesang einen unvergesslichen Höhepunkt. Nach einem ökumenischen Gottesdienst in hochfestlichem Rahmen – der geräumige Kirchenraum platzte förmlich aus allen Nähten, die mehr als 50 Trachtenträger (Banater und Sathmarer Schwaben, Oberschlesier, Oberwischauer und Siebenbürger Sachsen) konnten bewundert werden und Pfarrer Anton Schatz verband Teile des Johannesevangeliums wohltuend mit dem Heimatbegriff bei Aussiedlern – konnte das Fest mit Sektempfang und einem Trachtenaufmarsch, mit zwei wertvollen Ausstellungen (Rückblick auf das Aufnahmelager Friedland in den 50er und 60er Jahren durch die Zeitzeugin Adelheid Zogel und auf die Betreuung von katholischen Christen in den letzten Jahren in Sibirien und Kasachstan durch Pater Alois Parg, beide eingeführt durch Olga Vetter und Lydia Pasternak, die die Ausstellungen im Haus der Heimat hergestellt haben) so richtig starten. Stadtrat Franz Gebhardt und Horst Göbbel hatten vorher den Beitrag der Aussiedler im wirtschaftlichen, sozialen und besonders im kulturellen Leben der Stadt gewürdigt und allen Aktiven besonderen Dank für ihr gemeinnütziges Tun ausgesprochen. Während des Gottesdienstes waren der „Marienchor“ (Leitung: Willi Baumeister) und junge belebend singende Gruppen der Kirchengemeinde aufgetreten: die Jugendband der Kirche „Nervensegen“ (Leitung: Markus Kempny) sowie Schulkinderchor und Projektchor des Kindergartens Maria am Hauch (Leitung: Sofia Kloos und Rosalinde Beierkuhnlein). Im Hof spielte das Brass Quintett der Hochschule Nürnberg (Leitung: Jonucz Csaba).

Zu Beginn der Aussiedlerkulturtage 2007 – das 22. Mal ununterbrochen und immer unter der Schirmherrschaft des Nürnberger Oberbürgermeisters, derzeit Dr. Ulrich Maly, – freitags im Haus der Heimat betonte Horst Göbbel als dessen Vorsitzender in seiner Einführung in den „klassischen“ Kulturteil die Notwendigkeit des Ausbaus interkultureller Verständigung und Begegnung im langwierigen, im kontinuierlichen Prozess der Integration. Vor und nach der Begrüßung der Ehrengäste – mit dabei waren heuer Dr. Christoph Bergner, MdB, Parlamentarischer Staatssekretär, Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten sowie OB-Vertreter Bürgermeister Horst Förther – bezauberten uns musikalisch auch durch die hohe Qualität ihrer Darbietungen zunächst die Sprachschüler des Hauses der Heimat Jakov Volftsun (Trompete) und Inna Stambulska (Klavier) mit Tschaikowskis „Neapolitanischem Tanz“ und einer Szene aus Bizets „Carmen“ und später ganz vortrefflich Marion Enachescu (Violine) und Lydia Hammerbacher (Klavier) mit Dmitri Kabalewskys Violinkonzert in C-Dur, Allegro molto e con brio und Johannes Brahms Sonate in c-Moll, Scherzo.
Als weiterer Höhepunkt entpuppte sich auch die Aufführung des Stückes „Der steinige Weg zum Anderen“ – Eine russisch-deutsche Geschichte von Lev Protalin, präsentiert vom russisch-deutschen Theater „Brücken“ e.V. aus Erlangen.

Dr. Christoph Bergner, Aussiedlerbeauftragter der Bundesregierung, – auch er fühlte sich in unserer Mitte sichtlich wohl – stellte seinem Grußwort ein Zitat aus der Qualitionsvereinbarung der Bundesregierung voran: „Die Kultur der aus ihrer Heimat Vertriebenen und aus den Herkunftsgebieten der Aussiedler ist Bestandteil der ganzen deutschen Kultur, die wir pflegen und erhalten wollen.“ und versicherte den Zuhörern, wie wichtig auch aus der Sicht der Bundesregierung „Arbeit ist, wie sie hier im Haus der Heimat geleistet wird. Arbeit, die den Ausgangspunkt im Kern in der Aussiedler- und Vertriebenenarbeit hat und damit Kriegsfolgenbewältigung betreibt. Was auch heißt, dass wir unter uns Deutschen, die vom 2. Weltkrieg und ihrem Schicksal unterschiedlich betroffen waren, solidarisch sein wollen.“ Aus dieser Solidarität erwachse aber auch die Verantwortung, Brücken in Europa zu bauen und die Erfahrungen der Aussiedler im Rahmen der Integrationsarbeit auch an andere Zuwanderergruppen weiterzugeben. Dafür sei das Haus der Heimat Richtung weisend, wofür er dankte und weiterhin Erfolg wünschte.

Bürgermeister Förther traf die Stimmung des Abends, als er begeistert verkündete: „Sie zeigen, wie lebendig diese Kultur ist!“, wobei er das Besondere daran mit dem schmackhaften Gürkchen auf einem guten Wurstbrot verglich. Zuerst wäre die Kultur mitgenommen, also exportiert worden, im Laufe der Zeit habe sie sich verändert und käme nun als Reimport wieder nach Deutschland, witzelte der Bürgermeister. Über seiner ganzen Rede stand jedoch sein anfangs erwähnter Spruch, der im Opernhaus von Palermo zu sehen ist: „Kunst erweckt den Menschen und zeigt sein Leben“.

Der anschließende Sekt -Empfang bot beste Gelegenheiten, uns auch mit unseren Ehrengästen auszutauschen und eine Bilderausstellung junger Künstler aus dem Bereich der LM der Deutschen aus Russland anzusehen.

Freitags, samstags und sonntags gaben uns neben Dr. Christoph Bergner und Bürgermeister Förther u.a. die Ehre: Bürgermeister Dr. Clemens Gsell, der CSU-Generalsekretär Dr. Markus Söder (MbL), mehrere Stadträtinnen und Stadträte (Helmine Buchsbaum, Rita Heinemann, Jutta Bär, Prof. Dr. Hartmut Beck (CSU), Gabriela Heinrich und Anita Wojchiechowski (SPD)), der Aussiedlerbeauftragte der Stadt Nürnberg Wolfgang Lang, außerdem Dr. Stefan Schweiger von der FDP Nürnberg, Werner Henning, Vorsitzender des BdV Nürnberg sowie der UDV, sowie zahlreiche Vorsitzende und Kulturreferenten der im Haus der Heimat aktiven Landsmannschaften und Kulturvereine.

Doris Walter, Russlanddeutsche und im Jahr 2007 Vorsitzende des Aussiedlerbeirates, erörterte in ihren einführenden Begrüßungsworten im Großen Saal des Gemeinschaftshauses Langwasser beim Bunten Nachmittag u.a. Aspekte wie historisches Herkommen, Sitten und Bräuche von Aussiedlern, deren leidvolle Erfahrungen nach dem Zweiten Weltkrieg ebenso wie deren große, unverzichtbare Leistungen in der hiesigen Gesellschaft, ihr Bekenntnis zur alten und zur neuen Heimat, ihre „bikulturelle Identität als Herausforderung und Chance“, um zusammenfassend festzuhalten: „Unsere Herkunft ist zwar unterschiedlich, unsere Zukunft jedoch gemeinsam.“

Bürgermeister Horst Förther, der den erkrankten Oberbürgermeister Dr. Maly sowohl am Freitag als auch am Samstag mit bemerkenswerten Grußworten vertrat, hielt treffend fest: „Integration ist kein Selbstläufer, sie ist eine Daueraufgabe“ und in diesem Prozess spiele das Haus der Heimat mit seiner Brückenfunktion eine eminente Rolle. Seine Erfoge „tun dem Stadtteil gut, der Stadt, den Aussiedlern.“ Dr. Markus Söder, unser LM-Mitglied , MdL und Generalsekretär der CSU, lobte das Engagement der Aussiedler, des Hauses der Heimat, besonders dessen Integrationsarbeit („Hier arbeiten Menschen, die mehr tun als ihre Pflicht!“) und betonte: „Integration heißt für mich, dass wir uns nicht nach denjenigen zu richten haben, die zu uns kommen, sondern diese nach uns.“ Bürgermeister Dr. Klemens Gsell erwähnte die hohe Qualität der Auftritte der Kinder, die mit Herzblut dabei seien, nannte die Aussiedler einen wichtigen Bestandteil unserer Stadtkultur und führte den Gedanken von Dr. Söder weiter, als er sagte: „Es gilt, hier unsere Gesellschaft im abendländischen Sinn, selbstbewusst in Europa, selbstbewusst in Deutschland, aufzubauen.“

Der Kulturteil bot den Teilnehmern die Gelegenheit, unterschiedliche musikalische und tänzerische Einlagen zu genießen. Die musikalische Einstimmung besorgte in bewährter Qualität die Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg e.V. unter der Leitung von Richard Taub und Hans Welther. Die folgenden Darbietungen gaben ein vielseitiges Bild. Zu bewundern waren die Kindertrachtengruppe der LM der Banater Schwaben Nürnberg (Leitung: Elke Anselm und Herta Funar), die Mädchentanzgruppe in ihren neuen Trachten (LM der Deutschen aus Russland Nürnberg, Leitung: Franz Hof), die Kindertanzgruppe Herzogenaurach (LM der Siebenbürger Sachsen Nürnberg, Leitung: Gerhard Berner u. Reinhold Burkart), Musikspatzen, Kinderchor, remix und Volksquelle (Deutsche aus Russland, Haus der Heimat, Leitung: Olga Philipp), die Jugendtanzgruppe der LM der Deutschen aus Russland Nürnberg (Leitung: Franz Hof), der Chor „Heimatklänge“ (LM der Deutschen aus Russland Nürnberg, Leitung: Charlotte Kirchmeier), die Volkstanzgruppe Herzogenaurach (LM der Siebenbürger Sachsen Nürnberg, Leitung: Gerhard Berner u. Katharina Fuss), der Siebenbürgische Chor Nürnberg (Leitung: Reinhold Schneider), die Trachtengruppe der LM der Banater Schwaben Nürnberg (Leitung: Anton Weber), das Akkordeonduo Dr. Andreas Meier und Natali Karpej mit Kristina Meier an der Violine, Deutsche aus Russland und die Tanzgruppe Oberasbach (Leitung: Rafael Haaf). Durch das Programm führte belebend Sandra Hirsch. Zum Abschluss gab es einen vielbeachteten gemeinsamen Volkstanz unter der Leitung von Fritz Arnold. Die Gesamtkoordination der Kulturtage besorgte Doris Hutter. Mit seinem breiten Angebot an Tanz, Musik, Theater und Ausstellungen boten auch die Aussiedlerkulturtage 2007 ein schönes Beispiel gelebten Gemeinsinns.

Horst Göbbel / Doris Hutter