Mehr als nur Deutsch lernen – 25 Jahre Sprachkurse im Haus der Heimat Nürnberg
Es sind vor allem die Tränen und Umarmungen, die mich beim 25. Jubiläum der Sprachkurse beeindruckt haben. Viele dankbare Menschen, die zum Teil behaupten, dass sie in Deutschland ihre Wurzeln im Haus der Heimat (HdH) geschlagen hätten. Ist es nur das Aneignen der deutschen Sprache, die am 14. Mai 2024 beim Jubiläum so emotionale Momente verursacht?
Olga Vetter begann 1999 mit den ersten Sprachkursen Russisch-Deutsch im HdH, das 1998 gebaut wurde und als Kultur- und Begegnungsstätte für Aussiedler und Vertriebene gedacht war. Kurz danach kamen, da die Deutsch-Kurse so begehrt waren, auch Lydia Pastarnak und Tamara Rutkowski als Teilzeitkräfte hinzu, alle drei russlanddeutsche ehemalige Lehrerinnen, die aufgrund ihrer Ausbildung in Russland den Anforderungen des bayerischen Schulwesens nicht genügten, um an bayerischen Schulen zu unterrichten. Für das HdH ein wahrer Segen, wie sich schon beim 10-jährigen Jubiläum herausstellte! Denn diese Lehrerinnen gaben ihren zugewanderten Kursteilnehmenden mehr als nur Deutschunterricht: Sie hatten Verständnis, ein großes Herz und vermittelten Zuspruch, Aufmunterung, Zuversicht, förderten Selbstvertrauen, zeigten Wertschätzung – auch weil sie die deutsche Grammatik auf Russisch erklärten – und führten in bundesdeutsche Traditionen ein, umsorgten, fühlten und litten mit, erklärten, hörten zu und feierten miteinander. Schon bald hatte das HdH unter den Sprachkursteilnehmenden den Ruf, ein echtes Haus der Heimat zu sein. Später, da Olga Vetter als Rentnerin nur noch Teilzeit arbeitete, übernahm Irina Trautwein, die erst nur Kunstkurse gab, auch einen Teil der Sprachkurse.
Als die vor Putins Krieg Geflüchteten aus der Ukraine kamen, öffnete 2022 nicht nur das HdH seine Türen, sondern neun Sprachkursteilnehmerinnen, die noch nie unterrichtet hatten, gaben ehrenamtlich das weiter, was sie in den Sprachkursen selbst erlebt hatten: Empathie, Verständnis, Deutschkenntnisse und ganz viel Herzblut. Hand in Hand damit wurden die Geflüchteten aus der Ukraine im HdH auch von drei Sozialberaterinnen aufgefangen, es wurden Tanz- und Malkurse für deren Kinder eingerichtet und damit viel Leid gelindert.
Zum Credo des Vereins Haus der Heimat gehört aber auch, unter den Mitgliedern und Besuchern des HdH ein Gemeinschaftsgefühl zu wecken und die Feste möglichst miteinander zu feiern. Da liegt es nahe, wenn der Platz für neue Teilnehmenden gebraucht wird, dass sich Ehemalige selbst verwalten und weiterbilden. So entstand die Gruppe der „Wissbegierigen“, die seit mehreren Jahren Vorträge für die Teilnehmenden der Sprachkurse aufbereiten und damit inzwischen auch bei Veranstaltungen anderer Gruppen des HdH auftreten.
Der Anstoß, einen Chor der Sprachkursteilnehmenden zu gründen, kam von der Geschäftsleiterin. Tatjana Gettich leitet ihn seit 2015. Dass daraus später auch eine Theatergruppe unter der Leitung von Nadja Kindsvater entstand, entsprang schon dem Selbstbewusstsein und Leistungswillen der Chormitglieder. Tatjana Schneider, einst Sprach- und Malkursteilnehmerin im HdH, wurde ermutigt, nach dem Tod ihres Malkurslehrers Wladimir Egorow dessen Malkurs zu leiten. Heute ist sie eine begnadete und auch gefragte Sandkunstmalerin und dankt ihren Mutmacherinnen aus dem HdH mit den Worten „Ihr habt mir Flügel gegeben!“.
Neben den aktuellen Kursteilnehmenden, dem allgegenwärtig unermüdlichen Hausmeister Eugen Vetter, Ehrenvorstand Horst Göbbel, der neuen Geschäftsleiterin Natalie Keller und deren Assistentin Annette Folkendt waren es diese vorhin erwähnten wunderbaren Menschen, die den Festakt des 25. Jubiläums gestalteten – gemeinsam, kreativ und fröhlich: Es gab Gesang, Theater, eine Foto- und eine Handarbeitsausstellung, gemalte Glückwunschkarten aus den Malkursen, Instrumentalmusik, Dankeszettel, Blumen und Grußworte.
In allen Grußworten und spontanen Redebeiträgen wurde den Lehrerinnen gedankt, dem HdH und allen, die im Laufe dieser erfolgreichen 25 Jahre die Vereinsarbeit mitgestaltet haben.
So sind die Sprachkurse im Vereinsleben des HdH eingebettet und stiften neben Deutschkenntnissen auch weiterhin Halt, Wertschätzung und damit viel Freude. Herzlichen Glückwunsch zum 25. Jubiläum!
Doris Hutter, Geschäftsleiterin HdH bis 2023