Wi häw gedoocht?
Am 25. März fand das Siebenbürgisch-Sächsische Mundartautorentreffen im Nürnberger Haus der Heimat statt. Doris Hutter hatte wieder alle Siebenbürger Sachsen, die gerne Gedichte, Theater oder Geschichten in Mundart schreiben, herzlich dazu eingeladen. Ein Seminar mit Rahmenprogramm fand statt. Es referierte u.a. Hanni Markel.
Nach der Begrüßung durch Doris Hutter und der Vorstellung der Referenten, darunter Angelika Meltzer und Rosemarie Chrestels, beide Herausgeberinnen des Liederbuches „E Liedchen hälft ängden“, begann ein interessantes Seminar. Auf Anregung von Bernddieter Schobel, der die Kolumne „Sachsesch Wält“ in der Siebenbürgischen Zeitung mit Hanni Markel betreut, wurden einige allgemeine Richtlinien zu Schreibung und Aussprache von Mundarttexten aus den Jahren 2005/2007 bekräftigt oder aktualisiert. So wird der in der deutschen Schriftsprache nicht vorhandene stimmhafte („weiche“) Reibelaut wie in moġer (mager), Mueġen (Magen), Uġen (Augen) //wird// durch das Sonderzeichen ġ wiedergegeben. Der Ach-Laut kommt nicht nur nach dunkeln, der Ich-Laut nicht nur nach hellen Vokalen und nach Konsonanten vor, z.B. bei Naajcht (Nächte), aber auch jcha (ja): Markiert wird die Abweichung von der nhd. Ich-Regel seit einiger Zeit durch jch. Die Eifler Regel bedeutet, dass das „n“ im Satzzusammenhang und in Zusammensetzungen nur vor n, d, t, z, h und Vokalen gesprochen und geschrieben wird. Der Merksatz von Bernddieter Schobel dazu: Aas Nober Treng huet en dacken Zoop. Also sagen und schreiben wir: Se sen hä, jedoch: Mir se‘ mir! (Durch die Regel gekürzte Wörter erscheinen bereits im Sammelband „Sachsesch Wält“, München 2010, mit Apostroph, um sie von den gleich geschriebenen Kurzwörtern zu unterscheiden: Se‘ se hä? Se’ Vueter). N(-n) fällt aber, entgegen der Regel, ebenfalls nicht weg am Zeilenende (in Gedichten) und vor Pausen im Redefluss. Zur Ableitungssilbe –ig einigte man sich auf folgende Regel: Wenn im Deutschen –ig (gesprochen -ich) geschrieben wird, schreiben wir -ij (billig – ballij >ballijer), und wenn es im Deutschen -lich heißt, dann wird –lich geschrieben (freundlich – fraindlich> fraindlicher). Zum „verflixten N“ hatte Hanni Markel weitere strukturiert aufgeführte Beispiele parat, z.B. dessen Ausfall in fåf – fünf, die Wandlung des n zu m wie in Mällembij, Stuulzembrij oder das unorganische N/n am Wortanfang in Noost (Ast), Neestchen (Ästchen) und im Wortinneren wie bei Heeltner (Heltauer). Markel referierte auch zum Thema verselbständigte Originallieder aus siebenbürgischen-sächsischen Singspielen, dargestellt am Beispiel Georg Meyndt („Ein Kunstlied im Umlauf“).
Angelika Meltzer sprach über die Entstehung des Buches „E Liedchen hälft ängden/ Alte und neue Lieder aus Siebenbürgen“ und wies auf das wertvolle Nachwort von Michael Markel hin, der ab S. 356 zum Heimat-, Volks- und Kunstlied in Siebenbürgen schreibt. In welcher Mundart die Lieder des Buches im Chor gesungen werden, entscheidet der Chor (leiter). Anhand der CD, die jedem Buch beiliegt, kann man die Lieder hören und beim Lernen sogar die Geschwindigkeit einstellen. Rose Chrestels ging auf die Wiedergabe der Mundarten ein und erzählte, dass früher oft Pfarrer die Lieder notiert haben, die selber die Ortsmundart nicht gut kannten. Und da die Schreibung mehrere Wandlungen durchgemacht hat, war die Vereinheitlichung der Textwiedergabe sehr aufwändig. Die Schreibung hat sie möglichst niederschwellig gehalten, empfiehlt aber dringend, die Regeln der Rechtschreibung ̶ im Buch ab S. 348 zu finden ̶ einzuhalten. Ihre Tochter Judith ist Kunstlehrerin und hat den Umschlag so gestaltet, dass Traditionelles modern aufgebrochen wurde, was ihr auch bestens gelungen ist. Die Zeichnungen stammen von Karin Schiel. Das Buch ist gerade auch für Sächsisch Schreibende eine Goldgrube!
Nach einem schmackhaften Mittagessen, zubereitet von Autorin Hilde Juchum, nach Kaffee und Kuchen, ging man gestärkt zur nächsten Runde über: dem Rahmenprogramm mit öffentlicher Lesung. Jedes Mal gestaltet Doris Hutter das Rahmenprogramm etwas anders. In diesem Jahr hatte sie das neugegründete „Fürther Chörchen“ unter der Leitung von Angelika Meltzer eingeladen und übernahm die Moderation. „Wi häw gedoocht?“ ̶ diesen Titel hatte Doris dem Rahmenprogramm verpasst. Und tatsächlich: Wi häw gedoocht, wot as Såchsen ålles bewiëcht? Den Anfang machte das „Fürther Chörchen“ mit dem Lied „Ech steand do iuwen affem Rej“. Doris Hutter begrüßte alle Gäste und moderierte folgende Autoren an: In Erinnerung an Johanna Gadelmeier las deren Tochter Hilda Albrich „Det sachsesch Riaden net vergeßen“, „Wonn sich dertäos…“, „ Bä de Frängden af Besäck“. Helmuth Zink las „Of der Kroatz“ und „De Nawett“, Malwine Markel die Kurzgeschichte „Det klui Sachsentroifen eam Bod“. Martha Schreiner steuerte ein siebenbürgisches Haltrich-Märchen in der eigenen gereimten Mundartfassung bei: „Säck norr, et gitt nooch Tummern“. Der durch Krankheit verhinderte Bernddieter Schobel hatte die Geschichte „Det Minkeltschen“ in Felmern sächsisch gehört und deutsch notiert, nun wurde sie von Hildegard Greff in die Ortsmundart zurückgeführt und vorgetragen. Hilde Juchum las „Det Gebäss“ sowie „Erkuunt“ und sang ihr von Georg Müller vertontes Lied „Driemen uch Hiemetgefahi“ gemeinsam mit Hedda Thalmann, auf der Gitarre begleitet von Angelika Meltzer. Grete Menning trug die beiden Gedichte „Der Hochzetwenj“ und „Bäm Båcken“ vor, Michael Kenst „De Gåtch“ und „De Liseng“. Hans Otto Tittes hatte „De nåå Frisur“ und „Entschlåss“ eingesandt, vorgelesen wurden sie von Doris Hutter. Die Autorin Doris Hutter trug „De Tant ä Budapest“ und „Der Ämwiëj“ vor und las von der abwesenden Abtsdörferin Mathilde Melzer „Viur ville Geoahren“. Elisabeth Kessler hatte ihr Gedicht „Wuundrer“ eingeschickt, Richard Sonnleitner „Krokus“ und von Johanna Leonhardt hörten die Zuhörer „Alles Bläten“, wie die vorigen von Hanni Markel vorgelesen. So fügte sich Besinnliches zum Erheiternden. Zwischendurch kam immer wieder das Fürther Chörchen zu Gehör, unter anderem mit dem Lied „Der Låndjebum“, gedichtet von der anwesenden Chorsängerin Gertrud Roth und vertont von Angelika Meltzer. Ein wundervoller, lehrreicher, lustiger und stimmungsvoller Tag neigte sich dem Ende zu, als in Begleitung des Fürther Chörchens der ganze Saal abschließend „Der Lirbrebum“ von Otto Piringer/Carl Reich sang. Malwine Markel