10.05.2014:

Aussiedlerkulturtag der Stadt Nürnberg

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Kultur prägt – Kultur trägt.
Aussiedlerkulturtag würdigt den 30. Geburtstag des Nürnberger Aussiedlerbeirats

Damit Kultur zum Tragen kommt, müssen auch die alltäglichen Dinge des Lebens stimmen. Diesbezüglich haben sich für die Aussiedler vor mehr als 30 Jahren Stadtmission, Caritas, AWO und das Rote Kreuz, viele ehrenamtlichen Betreuer aus den Landsmannschaften und später auch die Stadt Nürnberg eingesetzt. 1984 entstand auf Initiative des Banater Schwaben Dr. Ernst Christian der Aussiedlerbeirat bei der Stadt Nürnberg, dem ein Aussiedlerbeauftragter der Stadt und je ein Stadtrat der SPD und CSU zugeteilt wurden.

Diesem Gremium und den ehrenamtlichen Aussiedlerbetreuern, die inzwischen im Haus der Heimat (HdH) ihre Beratung leisten, zu Ehren entwarf Doris Hutter das Drehbuch für den Film „Neuland. Aussiedler-Beirat-Nürnberg-Kultur“, der in Zusammenarbeit mit der Medienwerkstatt Franken e.V. (Kamera) und vielen Interviewpartnern entstanden und von Günter Czernetzky produziert worden ist. Diesem 30. Geburtstag des Aussiedlerbeirates, der seit 2010 mit dem Ausländerbeirat zum Nürnberger Integrationsrat fusioniert ist, wobei parallel auch der Kulturbeirat zugewanderter Deutscher entstanden ist, wurde nicht nur ein Festakt im Germanischen Nationalmuseum gewidmet, sondern auch auf dem nahe liegenden Kornmarkt ein öffentliches Tanzen vieler Aussiedlergruppen organisiert, das mit einer Andacht des Pfarrers Werner Konnerth begann. Einige Bläser der Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg umrahmten die vom Siebenbürgischen Chor Nürnberg-Fürth, vom russlanddeutschen Chor „Heimatklänge“ und der Trachtengruppe der Oberschlesier getragene Andacht. Unter den Zuschauern befand sich auch der Aussiedlerbeauftragte der Bundesregierung Hartmut Koschyk, der, beeindruckt von den vielen Tanzgruppen, in seinem Grußwort betonte: „Man soll nie seine kulturellen und religiösen Wurzeln abschneiden, weil die eigene Identität ganz wichtig im Leben ist!“ Er lobte die Vielfalt der auftretenden Gruppen, freute sich, ein Fest der Generationen vorzufinden, und schloss mit den Worten: „Nürnberg kann stolz sein auf Sie als Neubürger!“ Begleitet von viel Applaus tanzten die Tanzgruppe der Sathmarer Schwaben, Gruppen des HdH „White Shadows“, Russlanddeutsche, die Siebenbürgische Volkstanzgruppe Herzogenaurach, Gruppen der Tanzschule Franz Hof, Russlanddeutscher, die Jugendtanzgruppe der Siebenbürger Sachsen Nürnberg, die Banater Trachtengruppe Nürnberg und „Art Gruppe Rosenstock“, aus deren Reihen die charmanten Moderatorinnen Marina Silant und Katharina Marsall kamen.
Anschließend fand der Festakt im Aufseßsaal des Germanischen Nationalmuseums statt. Durch das Programm führte Doris Hutter. Mehrere hochrangige Politiker gaben den Aussiedlern die Ehre, z.B. Dr. Markus Söder, Bayerischer Staatsminister der Finanzen, für Landesentwicklung und Heimat. Er sieht die Aussiedlerkulturtage in der Tradition der Vertriebenen, die „statt Revanche für erlittenes Unrecht, Versöhnung anstreben und dadurch als tief politisches Statement für Frieden, Verständigung, Freiheit stehen“ und fuhr fort: „Es braucht sich keiner verstecken, Sie dürfen stolz sein auf das, was Ihre alte Heimat ist, Sie dürfen stolz sein auf was Sie in der neuen Heimat geleistet haben und wir sind dankbar dafür!“ Schirmherr Oberbürgermeister Dr. Maly ließ sich vertreten durch die CSU-Stadträtin Helmine Buchsbaum, Banater Schwäbin, die ihren Landsmann Dr. Ernst Christian als „Visionär“ würdigte und das Pflegen der Traditionen auch zum Verdrängen des Heimwehs wichtig findet. Das vom Aussiedlerbeirat mit beförderte HdH habe den Aussiedlern Selbstwertgefühl, Vertrauen, Hoffnung und reges Engagement im öffentlichen Leben gegeben. Sie schloss mit einem Zitat des OB Dr. Maly: „Aussiedlerkultur ist Teil unseres städtischen Kulturlebens und damit unverzichtbar!“
Der Festakt wurde musikalisch umrahmt von der Siebenbürger Blaskapelle Nürnberg und dem Kinderchor des HdH, der u.a. „Freunde wie wir“ sang, und hatte als zentrales Element den Film über den Aussiedlerbeirat. Gabriela Heinrich aus dem Bundestag sagte seitens der SPD und ihres Kollegen Martin Burkert: „Wenn sich Aussiedler ihrer eigenständigen Kultur erinnern und Brauchtum pflegen, dann ist das mehr als Folklore. Es ist ein offener Blick über die Grenzen, der auch den alteingesessenen Nürnbergern gut tut und einen weiteren Horizont eröffnet… Ihren Landsleuten haben Sie, die Aktiven, einen Identitätsanker in der neuen Heimat angeboten, darauf können Sie stolz sein.“ Dann erinnerte sie an die Gründung des Integrationsrates: „Ich finde es gut, dass sich Aussiedler dabei beteiligen und ihre Erfahrungen einbringen.“
Das HdH ist ein Kind des Aussiedlerbeirates. Karl Freller, Stv. Vorsitzender der CSU- Fraktion im Bay. Landtag erinnerte sich an die Zeit in den 80-er Jahren, als er mit Dr. Sieghard Rost, MdL, Dr. Ernst Christian und Stadtrat Walter Stock in München „durch die Ministerien zog, um für eine Idee zu werben, die völlig neu war, und es dann gelungen ist, das HdH zu bauen, was heute völlig normal ist“. Dann lenkte er, auch im Namen der beiden CSU-Landtagsabgeordneten Petra Guttenberger und Walter Nussel, den Blick auf das Gebäude: „Hier im Germanischen Nationalmuseum, wo Jahrhunderte deutscher Tradition und Kulturgeschichte aufbewahrt und sichtbar ist, erkennt man, dass auch Sie, Aussiedler und Vertriebene, Teil der Vergangenheit dieses Volkes sind. Wenn Ihre Kultur bei den Tänzen und anderen Veranstaltungen sichtbar wird, dann kehrt sie ein Stück weit dahin zurück, wo sie entstanden ist.“ Peter Daniel Forster, Bezirksrat, CSU, sprach auch in Vertretung von Bezirkstagspräsident Richard Bartsch: „Kultur ist das wichtigste verbindende Element über Nationalitäten und Generationen hinweg. Musik, Tanz, Bräuche, Gesang sind identitätsstiftende Vermittlungsinstrumente, die auch über evtl. Sprachbarrieren und Grenzen hinweg Menschen zusammenbringen“ und würdigte das Einbinden vieler Jugendlicher bei den Festen der Aussiedler, was auch Monika Krannich-Pöhler, Stadträtin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen hervorhob. Der Film habe deutlich gezeigt, wie den Aussiedlern beim Heimisch werden geholfen wurde. „Das wünschen wir uns alle: ein Zuhause, wertgeschätzt zu werden! Durch unsere Begegnungen ist es auch mir gelungen, diese Arbeit überhaupt kennen- und wertschätzen zu lernen.“ Sie sieht Aussiedler „auch als menschliche Bereicherung in Nürnberg“. Ilhan Postaloglu überbrachte die Grüße des Integrationsrates und sagte: „Ich hoffe, dass wir gemeinsam die Menschen dazu bewegen, dass wir Chancengleichheit, Gerechtigkeit unter allen hier lebenden Menschen schaffen.“ Christian Knauer, Vorsitzender des BdV, LV Bayern erinnerte an die vielen Nachteile, die Aussiedler in den Diktaturen ihrer Herkunftsländer hatten, dankte den Politikern für die fraktionsübergreifenden guten Kontakte und ihre Solidarität und schloss: „Die Vertriebenen sind in Bayern gut aufgehoben und angesehen!“

Horst Göbbel, Vorsitzender des HdH und 2014 auch Vorsitzender des Kulturbeirats zugewanderter Deutscher, erläuterte u.a. kurz auch die Funktion des neuen Beirates: „Dieser kümmert sich weiter um die kulturellen Belange der Deutschen aus Osteuropa und befördert die Einbindung des mitgebrachten kulturellen Gepäcks der Aussiedler in die hiesige Kulturlandschaft…Wir sind hier angenommen, unsere Kultur wird mitgetragen. Von der Stadt, von der Politik, von der hiesigen Gesellschaft. Wir sind inzwischen gerne Franken mit ostdeutscher kultureller Prägung. Kultur prägt – Kultur trägt.“

Doris Hutter